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Übertragung kann positiv oder negativ sein; 5. die „positive Übertragung“ lässt sich einteilen in einen zärtlichen Typ, der sich als „unanstößiger“ Verbündeter der Arbeit erweist, und einen erotischen Typ, der deutend aufgelöst werden muss; 6. eine vorwiegend negative Übertragung lässt einen Behandlungserfolg fraglich erscheinen; 7. der Patient, der zu verstehen lernt, wie Übertragungswünsche/-bedürfnisse „in den Zusammenhang der Behandlung und in den seiner Lebensgeschichte“ (ebd., S. 373) einzuordnen sind, verliert die Tendenz, solche Situationen ein ums andere Mal zu reproduzieren. Diese Entwicklung ist erforderlich, damit frühe Fixierungen aufgelöst werden können, „denn schließlich kann niemand in absentia oder in effigie erschlagen werden“ (ebd.). Die Entwicklung vom Übertragungswiderstand zur Übertragungsdeutung als einem zentralen Element der Behandlungstechnik ist hier schon impliziert. Ausformuliert wurde sie mit dem Konzept der „Übertragungsneurose“, einer technischen Weiterentwicklung, die Freud (1914) in „Erinnern, Wiederholen und Durcharbeiten“ darlegte. Dieser Beitrag ist wichtig, weil er nicht nur das Wiederholen anstelle des Erinnerns als Möglichkeit, Zugang zur infantilen Geschichte zu finden, zur Sprache bringt, sondern zum ersten Mal auch den in der Übertragung aktivierten Wiederholungszwang, der später in Jenseits des Lustprinzips (Freud 1920) – einem Übergangstext zwischen der ersten und zweiten Topik/zwischen der topischen und der Strukturtheorie – theoretisch weiterentwickelt wurde. In „Bemerkungen über die Übertragungsliebe“ nimmt Freud (1915) eine gründliche Untersuchung der durch die positive Übertragung entstehenden Schwierigkeiten vor. Er sollte das Thema erst gegen Ende seines Lebens in „Die endliche und die unendliche Analyse“ (Freud 1937a) wieder aufgreifen. Die Psychoanalyse entdeckt und benennt die Übertragung schon frühzeitig, erschafft sie aber nicht, sondern benutzt sie, um die Konfiguration des libidinösen Apparates zu deuten, die quasi in natura im Kontext der analytischen Beziehung reproduziert wird. 1917 ließ Freud keinen Zweifel mehr daran, dass die Übertragung und der „Widerstand“, als welcher sie sich in der analytischen Situation manifestiert, „die Drehpunkte der Behandlung“ (Freud 1917b, S. 332) sind. Seinen Beitrag über den Narzissmus wieder aufgreifend, beschreibt er die Fähigkeit, eine Übertragung zu entwickeln, als Voraussetzung des Erfolges der analytischen Therapie (Freud 1917a, S. 465). Mit diesem Hinweis beschließt er 1917 seine Vorlesung „Die Übertragung“, in der er all die einschlägigen Entwicklungen, die sich bis zu diesem Zeitpunkt vollzogen hatten, zusammenfasst. Während dieses Zeitraums hebt Freud die Paradoxie hervor, dass die Übertragung als Ausdruck jener Dimension, die dem Bewusstsein am weitesten entzogen ist, gleichzeitig das Kreuz, das es zu schultern gilt, und das bestmögliche Behandlungsinstrument ist. Von einem hilfreichen Phänomen kann sich die Übertragung wandeln in ein massives Hindernis, das sich der Bewusstwerdung des verdrängten Materials und der Erinnerung entgegenstellt: Der unbewusste Triebimpuls sucht nach Befriedigung, während er den Zugang zur Bewusstwerdung oder das
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