Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Ausdruck zu bringen. Sie demonstriert auch, wie Patienten nutzen, um ihre Triebstrebungen zu befriedigen, aber auch, um ihre Abwehrposition zu stärken.

IV. B. Kleinianische Einflüsse in Nordamerika Das klassische Konzept der Übertragungsanalyse wurde in Nordamerika durch das vom kleinianischen Ansatz befürwortete Konzept der Analyse der „Gesamtübertragungssituation“ signifikant erweitert (Joseph 1985). Es verlangt eine systematische Analyse der Übertragungsimplikationen, die in allen verbalen und nonverbalen Einlassungen des Patienten in den Sitzungen enthalten sind, in seinen direkten und indirekten Bemühungen, den Analytiker in einer bestimmten Richtung zu beeinflussen, und im Material aus seinem äußeren Leben, das er in die Sitzung einbringt. Die systematische Erforschung des Gesamtfunktionierens des Patienten zum Zeitpunkt der Aktivierung einer dominanten Übertragung unterstreicht den zentralen Stellenwert der Übertragungsdeutung und verweist zudem auf eine wichtige implizite Konsequenz der Übertragungsdeutung, nämlich die Charakteranalyse. IV. C. Donald W. Winnicott Der Begriff „Übertragung“ taucht in den Titeln von Winnicotts Schriften mit einer einzigen Ausnahme – „Clinical varieties of transference“ (Winnicott 1955-56) – nicht auf. Er erscheint auch nicht in den Kapitelüberschriften von Jan Abrams Buch The Language of Winnicott: A Dicitonary of Winnicott’s Use of Words (Abrams 1996). Gleichwohl gilt es, Winnicotts Handhabung der Übertragung sehr aufmerksam zu studieren, zumal sie eng mit den Konzepten des Rahmens und der Gegenübertragung zusammenhängt. Winnicott, von Hause aus Kinderarzt, rückt die Mutter-Säugling-Beziehung ins Zentrum seiner analytischen Betrachtung. Er distanziert sich von der kleinianischen Sichtweise des intrapsychischen Lebens des Neugeborenen, widmet der sehr frühen Umwelt des Säuglings besondere Beachtung und untersucht die Interaktionen zwischen der hinreichend guten Mutter und dem Baby sowie die entsprechenden Übergangsphänomene. In der Behandlung dient der analytische Rahmen dem Analysanden als eine solche containende (haltende) Umwelt, in der sich Übertragung und Gegenübertragung entfalten können. Indem sich Winnicott auf die Defizite dieser frühen und frühesten Umwelten konzentriert (insbesondere auf Fälle, in denen sich die Mutter auf die Bedürfnisse des Säuglings und Kleinkindes nicht feinfühlig abzustimmen vermag), entwickelt er das Konzept des falschen Selbst, das eine schützende, das wahre Selbst behütende Organisation darstellt, gleichzeitig aber den Aufbau eines authentischen Ichs behindert. Er beschreibt einen Bruch im Gefühl des kontinuierlichen Seins. Patienten, denen die der frühen Kindheit angemessene Versorgung verwehrt geblieben ist und deren Ich

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