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Abgespalten von jeder Möglichkeit, eine spezifische Erfahrung aus der Vergangenheit zu integrieren, setzt der Analysand die Analytikerin ebendieser Erfahrung direkt aus […]. Aus ebendiesem Grund ist die Welt der Übertragung in einem höheren Maß von Schwierigkeiten im Zusammenhang mit Negativität beherrscht als von Integration und Verbindung. Gleichzeitig wird die Libido von der Destruktivität oder bestimmten Formen des Todestriebs überwältigt; die Beziehung zum Objekt entspricht eher dem Konzept der Objektverwendung als der ‚klassischen‘ Vorstellung von Objektbeziehungen“ (S. 6f.). IV. D. Wilfred R. Bion Bion entwickelte Melanie Kleins Theorie weiter, stützte sich dabei aber in besonderem Maß auf Freuds Werk. Er untersuchte die Entwicklung des Denkens im psychischen Leben und führte das Konzept der Alpha-Funktion ein, die es ermöglicht, Sinneseindrücke und Emotionen – die Beta-Elemente – in Alpha-Elemente zu verwandeln, so dass sie erinnert, symbolisiert und zum Denken und Träumen benutzt werden können. Diese Transformation, die Bion (1962) zur Grundlage der Entwicklung der Psyche macht, konzeptualisiert das Bewusste und das Unbewusste als reversible mentale Zustände. In einigen seiner Beiträge über das psychotische Funktionieren unterscheidet Bion zwischen dem psychotischen und dem nicht-psychotischen Persönlichkeitsanteil. Er arbeitet das von Melanie Klein beschriebene Konzept der projektiven Identifizierung weiter aus, und zwar mit Blick auf die Übertragung der abgespaltenen destruktiven, auf den Analytiker projizierten Anteile; er verleiht der projektiven Identifizierung eine zusätzliche Bedeutung, nämlich die einer tiefen affektiven Kommunikation, die normalerweise zwischen Mutter und Säugling stattfindet. Die mütterliche Reverie nimmt die projizierten rohen Sinnesdaten und emotionalen Elemente auf, um sie zu transformieren und für das Baby erträglich und denk-bar zu machen. Dank Bion erhielten sowohl die projektive Identifizierung als auch die Container-Contained- Beziehung eine maßgebliche Bedeutung für das Übertragungsverständnis (vgl. den Eintrag CONTAINMENT). Laut Bion (2013 [1956]) spiegelt die typische Übertragung schizophrener Patienten den Konflikt zwischen Lebenstrieb und Todestrieb wider, der bewirkt, dass die Beziehung zum Analytiker sich „voreilig und überstürzt“ entwickelt, weil die gewalterfüllten destruktiven Strebungen und der Hass auf innere und äußere Realität im Vordergrund stehen. Was der Analytiker-Archäologe aufdeckt, sind daher keine Spuren einer alten Zivilisation, sondern die einer Urkatastrophe, die in den Unzulänglichkeiten der frühen Mutterbindung gründet und in der damit einhergehenden namenlosen Angst, die in der Übertragung durch die Angriffe auf die Fähigkeit, zu denken und Schmerz/Unlust zu tolerieren, reaktiviert wird.
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