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inbegriffen, geben die pathologische projektive Identifizierung und die Angriffe auf Verbindungen zu erkennen. In seinen späteren Schriften erinnert Bion uns daran, dass jede Theoriebildung, also auch die Theorie der Übertragung, eine Reaktion auf die Furcht vor dem Unbekannten ist und das Risiko mit sich bringt, Kreativität und psychisches Wachstum zu lähmen. Bion wendet sich der Etymologie des Begriffs „Übertragung“ zu, der eine Passage, das Zurücklegen eines Weges, ein Übergangselement in der Geschichte der analytischen Begegnung bezeichnet (Bion 2007 [2005a], S. 13). Die Deutungen des Psychoanalytikers verbergen seine „Nacktheit“ (Bion 2007 [2005b], S. 59). Es gilt, die Übertragungsbeziehung und die Position des Analytikers zu klären, damit wir uns von ihr frei machen können. IV. E. Spätere bionianische Entwicklungen in den USA Ein Beispiel für eine späte bionianische Tradition in Nordamerika, die sich insbesondere Anwendung in der Analyse von Kindern und in der Arbeit mit primitiven psychischen Zuständen fortsetzt, ist Mitranis (1999, 2000, 2001, 2014) Konzept des „Annehmens“ der Übertragung. Mitrani versteht darunter eine Funktion der Analytikerin, die für die von Bion beschriebene mütterliche Reverie unverzichtbar ist, nämlich den aufmerksamen, aktiv rezeptiven, introjektiven und erlebenden Aspekt des containenden Objekts. Diese Funktion ist mehr als lediglich ein kognitives Verstehen oder eine „empathische Abstimmung“ auf das, was der Patient gegenüber der Analytikerin empfindet und mit ihr erlebt. Sie umfasst auch die unbewusste Introjektion bestimmter Aspekte der inneren Welt des Patienten durch die Analytikerin und deren Resonanz mit entsprechenden Elementen in ihrer eigenen inneren Welt. Dies ermöglicht es ihr, sich tatsächlich als jener unerwünschte Selbstanteil des Patienten oder als jenes unerträgliche Objekt , mit dem sie sich zuvor introjektiv identifiziert hat, zu fühlen . Die Übertragung anzunehmen ist u.U. der schwierigste Teil der Arbeit. Es ist keine Frage des guten Willens oder einer guten Ausbildung, sondern ein unbewusster, von unbewussten Faktoren gesteuerter Akt.
V. DER FRANZÖSISCHE BEITRAG
V.A. Jacques Lacan Lacan zählt die Übertragung neben dem Trieb, dem Unbewussten und der Wiederholung zu einem der vier Grundkonzepte der Psychoanalyse. Sein Übertragungsverständnis beruht auf Freuds Überlegung, dass die Verbindung zum
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