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Ausbildungskandidaten in allen APsaA-Instituten vermittelt. Aber nicht jeder stimmte mit Strachey überein, und in der Realität erfolgte ein Großteil der Analysearbeit, wenn auch im Stillen, sehr wohl „außerhalb der Übertragung“. Wenn man die Entwicklung des Übertragungskonzepts untersucht, darf man keinesfalls die Ausarbeitung seines stets präsenten Partners, des Gegenübertragungskonzepts, aus dem Blick lassen. Man ist sich weitgehend darin einig (auch wenn Holmes, 2014, jüngst eine andere Position vertreten hat), dass die Gegenübertragung beginnend mit Freuds frühen Schriften über das Thema und entsprechenden Äußerungen in seinen Briefen durchgängig bis in die 1950er und 1960er Jahre hinein als eine weitgehend unbewusste, hochpersönliche, wenn nicht gar idiosynkratische Reaktion des Analytikers betrachtet wurde, die ihn mehr oder weniger stark in seiner Fähigkeit beeinträchtigt, als Analytiker des jeweiligen Patienten, der die Gegenübertragung in ihm auslöst, zu fungieren. Kurzum, die Gegenübertragung war ein Problem des Analytikers, das oftmals als Hinweis darauf betrachtet wurde, dass er der weiteren analytischen (oder zumindest selbstanalytischen) Arbeit bedurfte. Trotz ihrer Parallele zur Übertragung galt die Gegenübertragung als diskontinuierliches Phänomen, das nur in bestimmten Momenten oder Phasen einer Analyse auftaucht. Ebenso wie die Übertragung wurde sie weniger als interpersonaler Vorgang betrachtet, der von der Interaktion zweier spezifischer Individuen lebt, denn als Aktivierung eines ohnehin vorhandenen Reaktionsklischees oder -schemas des Analytikers, das durch den Analysanden aktiviert – in seinem wesentlichen Kern aber nicht durch ihn geprägt – wird. Für die gezielte intensive Untersuchung der Gegenübertragung als eigenständiges Phänomen sowie als unverwechselbares Produkt, das eine spezifische Dyade in einer spezifischen, unverwechselbaren analytischen Situation hervorbringt, war die Zeit noch nicht gekommen. VI. A. Edith Jacobson und Hans Loewald: Denker in einer Übergangsphase der klassischen Psychoanalyse Innerhalb der „klassischen“ Tradition begannen einzelne Persönlichkeiten, die Kluft zwischen Eine-Person-Triebtheoretikern und Vertretern der relationalen Zwei- Personen-Perspektive zu überbrücken. Die vielleicht prominentesten und einflussreichsten unter ihnen waren Edith Jacobson und Hans Loewald. Beide waren aus der ich-psychologischen Tradition hervorgegangen und hatten den Eindruck, dass diese der Bedeutsamkeit der relationalen oder objektrelationalen Umwelt für die Herausbildung der psychischen Struktur, aber auch für die Natur der Triebstrebungen an sich nicht genügend Aufmerksamkeit widmete. Jacobsons monumentales Werk Das Selbst und die Welt der Objekte (1978 [1964]) repräsentierte eine Integration der Objektbeziehungstheorie und der „klassischen“ Triebtheorie. Ihre Auffassungen übten ebenso wie Loewalds Sichtweise einen maßgeblichen Einfluss auf das Verständnis der Übertragung aus, und zwar sowohl im Hinblick auf die prägenden frühen
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