Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Rackers Schriften zur Übertragung betonen im Wesentlichen bestimmte unbewusste Prozesse des Analytikers, die ihn hemmen und daran hindern, angemessene Deutungen zu geben. Racker bezeichnete sie als Gegenwiderstände, die die Deutungsaufgabe erschweren. Die Gegenübertragung ist die Reaktion auf die Übertragung. Infolgedessen wandte er die Freud’sche Methode, das, was zu einem Hindernis geworden ist (also die Gegenübertragung), in ein Instrument umzuwandeln, das die Bewusstmachung des Unbewussten besser zu verstehen hilft, auch auf die Analyse der Gegenübertragung an (siehe den Eintrag GEGENÜBERTRAGUNG). Rackers Konzepte unterschieden sich von der Theoriebildung, die man damals als „klassische Psychoanalyse“ zu bezeichnen begann. Diese betonte den „Analytiker als Spiegel“ bzw. den „Analytiker als Chirurg“, um eine bestmögliche Neutralität zu gewährleisten. Racker Befürwortung einer aktiveren Technik war auch auf den Einfluss Melanie Kleins und insbesondere Paula Heimanns zurückzuführen. Er griff einen aktiven Aspekt der Freud’schen Theorie auf, indem er die Prozesse der Identifizierung mit dem Patienten betonte, die mit Empathie und mit der Aufmerksamkeit für die Assoziationen des Patienten einhergehen. Im Grunde praktizierte er sowohl eine mikroskopische als auch eine makroskopische Untersuchung der Aktivität des Patienten in der Siedehitze der Übertragung. Diese Hitze wird laut Racker nur erreicht, wenn der Analytiker selbst genügend Hitze (genügend positive Gegenübertragung bei der Durchführung seiner Aufgabe) an die analytische Situation abgibt. Eine gewisse Neutralität, so schreibt er, sollte uns nicht daran hindern, dem Analysanden unser Interesse und unsere Zuneigung zu bekunden, denn nur Eros kann Eros hervorbringen. Bestimmte Abwehrmechanismen des Analytikers, die sich gegen Aspekte seines eigenen Unbewussten richten, erschweren seine Aufgabe, wenn er mit dem Unbewussten des Analysanden konfrontiert ist. Diese Abwehrmechanismen äußern sich als übertriebene Distanziertheit, Unflexibilität, Kälte in Anwesenheit des Analysanden und zeigen sich auch in gehemmtem Verhalten. In Anlehnung an Freud vertrat Racker die Ansicht, dass die Übertragung gedeutet werden müsse, wenn sie vom Widerstand in Dienst genommen wird. Er wich aber von Freud ab, indem er betonte, dass „Übertragungswiderstände“, etwa Übertragungsängste, schon zu Beginn der Analyse auftauchen und deshalb auch früh gedeutet werden müssen. Racker behauptete, dass die Übertragung ein Widerstand sei und gleichzeitig dasjenige, dem Widerstand geleistet wird. Er erläuterte diese Auffassung ausgehend von Freuds (1920) Überlegung, dass der Analytiker sich mit dem Es und seiner Wiederholungstendenz verbündet und die Ich-Widerstände bekämpft, die sich der Wiederholung entgegenstemmen. Er betonte, dass dasjenige, dem Widerstand entgegengebracht wird, in der Wiederholung präsent ist.

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