Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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imaginäres Spiel der Repräsentationen, noch sind sie „Realität“; sie sind, was wir als das „Virtuelle“ oder das „Reale“ bezeichnen. Unter dem Imaginären versteht Cesio das Spiel der Repräsentationen; unter Realität das dramatische Agieren mit Dingen, die zur Außenwelt gehören; unter dem Realen das, was den Ausdruck der Grundlagen, der Affekte, umfasst, all das, was „aktuale“ Manifestationen hervorbringt: jene, die noch nicht „re-signifiziert“ (mit einer neuen Bedeutung versehen) wurden. Unter dem „Realen“ versteht Cesio das Drama, das sich im Setting der Sitzung abspielt und in Form von Affekten bewusst wird, die von Angst bis zu liebevollen Gefühlen reichen. Dies ist eine originäre Erfahrung, eine mehr oder weniger direkte Darbietung des Unbewussten. Als solche ist sie auch „aktual“ [actual] in demselben Sinn, in dem wir die Angstneurosen als Aktualneurosen bezeichnen. Das Wort „act“ konnotiert das „Aktual-Drama“, das auf der Analyse der freien Assoziationen beruht und Rekonstruktionen ermöglicht, die den „Akt“ historisch und zeitlich einordnen. Der analytische Raum ist laut Cesio insofern „Reales“, als er nicht die Realität ist, aber zusammen mit den Wortbildern die affektiven Manifestationen in sich enthält, denen wir eine Figuration auf somatischer, neuro-vegetativer und zellulär-humoraler Ebene und auf der Ebene der unwillkürlichen Muskulatur zuschreiben. Sie werden vom Analytiker wahrgenommen und dem Patienten als gemeinsam geteilte „Aktualerfahrungen“ zugeschrieben. Der Analytiker nimmt diese Veränderungen wahr und identifiziert per Rückschluss diejenigen, die zum Patienten gehören. Wenn diese Aktualerfahrungen über die Grenzen des Settings hinausgreifen und massiv ins kohärente Ich eindringen, offenbaren sie ihre inzestuöse sexuelle Natur. Die Übertragung ist allgegenwärtig, wird aber in der analytischen Situation aufgedeckt und zur Deutung der Erfahrung herangezogen: Sie ist unvermeidbar. Andererseits taucht die Übertragung auf die Person des Analytikers aus den tiefsten Ebenen auf und muss „fast vollständig erraten“ werden. Dies setzt voraus, dass der Analytiker auf diese „geringfügigsten Anhaltspunkte“ achtet, um das, was im Hier und Jetzt geschieht, deuten und/oder konstruieren zu können und um das Risiko willkürlicher Rückschlüsse zu vermeiden. Mit dieser Überlegung warnt Freud vor einer Art „wahnhafter Selbstbezüglichkeit“ des Analytikers, die der Wirkung seiner Deutungen und/oder Konstruktionen abträglich wäre. Das Konzept der „Person des Analytikers“ impliziert, dass er auf der Grundlage seiner Funktion benannt wird, das heißt der Rolle, die er in der Beziehung zum Patienten spielt, der seinen Phantasien Ausdruck gibt, die im Zuge der Analyse wiedererwachen und als etwas „Aktuales“ bewusst werden. Das, was verschüttet, lethargisch, aktual ist, was nie eine persönliche Erfahrung konstituierte, lässt im Laufe der Analyse Affekte und Wörter im Analytiker auftauchen. Sie zu erleben ermöglicht ihm den Rückschluss, dass dieses Erleben im Analysanden existiert. So kann er gewissermaßen eine „Theatervorstellung“ konstruieren, die Teil der Tragödie ist, in der beide Hauptfiguren sind.

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