Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Grenzen des psychoanalytischen Settings hinweg (Cesio 1993). Diese Liebe verlangt nach dem absoluten Besitz des Objekts - selbst um den Preis seiner Zerstörung und der damit einhergehenden Selbstzerstörung - und verrät dadurch ihren triebähnlichen Charakter. Laut Cesio versucht sie, den „Phallus in Gestalt des wunderbaren Babys“ zu realisieren, der im Tod seinen höchsten Ausdruck findet. Was sich nun in der Übertragungsliebe manifestiert, ist „das Tote“, das im Unbewussten verschüttet war und in dieser narzisstischen Form, als Phallus in Gestalt des wunderbaren Babys, wiederkehrt. In der Übertragung findet er Ausdruck in dem wunderbaren Patient- Analytiker-Paar. Das auf Abstinenz beruhende analytische Setting wiederholt die ursprüngliche Frustration beider Mitglieder der tragischen Szene, die aufgeführt wird. So schreibt Freud (1915), „dass man Bedürfnis und Sehnsucht als zur Arbeit und Veränderung treibende Kräfte bei der Kranken bestehen lassen und sich hüten muss, dieselben durch Surrogate zu beschwichtigen“ (S. 313). Die psychoanalytische Theorie untersucht die Existenz eines Unbewussten, einer verschütteten Formation, des „Toten“, des Idealichs. Es handelt sich um eine unbewusste Struktur, die aus der Lethargie und aus bestimmten „Aktualmanifestationen“ als Resultat des ursprünglichen Traumas, der phallischen Kastration, rückgeschlossen werden kann. Sie enthält den tragischen, verschütteten primären Ödipuskomplex. Ideal ist diese Struktur, weil sie einen Es-Anteil in sich birgt, der sich nicht zu einem postnatalen Ich entwickelt hat. Er war nie bewusst, wurde also auch nie verdrängt und bildet das verschüttete unbewusste, zeit- und raumlose „Aktuale“. Wortlos, stumm und mit Manifestationen wie Verzweiflung, Lethargie sowie somatischen Erkrankungen tritt er in der Aktualneurose zutage. Ihm liegt die ödipale Protophantasie zugrunde, die das primäre Ich konstituiert. Was das Konzept des „Toten“ betrifft, so handelt es sich um eine Konstruktion auf der Basis der verschütteten Inhalte, die wir in der Lethargie aufdecken. Bewusst wird es durch Repräsentationen des Todes. Paradigmatisch sind neben den Abtreibungsrepräsentationen auch Nachtalb, Mahr, Gott, Vampir, Geist, Schatten und Aktualneurose. Schon 1956 stellte Racker den Fall einer negativen therapeutischen Reaktion vor, deren wesentliche Elemente die „toten“ Objekte und die abgestorbene innere Welt des Patienten waren. Im darauffolgenden Jahr stellte er einen weiteren Fall vor, anhand dessen er die Langeweile und Schläfrigkeit des Analytikers erörterte (Racker 1957). Cesio stimmt mit Freud und Racker darin überein, dass ein Moralisieren oder ethische Schwierigkeiten in Bezug auf die Übertragung und Gegenübertragung fehl am Platz sind. Was zählt, ist allein eine gute Technik. In seiner neurotischen Übertragungsreaktion begreift der Analytiker die sexuelle Forderung des Patienten als dessen Ziel, das er mitunter unbewusst zu erfüllen versucht, indem er den Patienten in seiner Hilflosigkeit verführt. Analytiker können sich der Dankbarkeit des Patienten stets sicher sein, wenn sie an ihrem Analysewunsch

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