01-2017 D

..ganz persönlich: VERSPÄTUNGEN:

1/2017 INHALT

«Nicht wieder gut zu mAchender Schaden»

Unsere Kinder besuchen hier eine brasilianische Privat- schule. Die Schule beginnt täglich um 7 Uhr. Das Haupttor für die Schüler ist zwischen 6.30 und 7.00 Uhr geöffnet und wird Punkt 7.00 geschlossen. Wer zu spät kommt, muss beim Nebeneingang rein und seine Verspätung im Sekre- tariat registrieren lassen. Mehrmaliges Verspäten hat eine Suspendierung von einem oder mehreren Schultagen zur Folge. Zudem dürfen verspätete Schüler erst in der klei- nen Pause zur Klasse stossen, da die Schule nicht möchte, dass der Unterricht durch «reintröpfelnde» Schüler gestört wird. Damit verpassen sie die erste Schulstunde. Auf einmal sind alle rechtzeitig Unsere Kinder sind mit einer typisch schweizerischen Mut- ter noch nie zu spät gekommen – generell sind Verspä- tungen in Brasilien aber nichts Aussergewöhnliches. Um die Eltern und Schüler auf das Problem aufmerksam zu machen, hat die Schulleitung beim Eingang ein Plakat mit folgendem Inhalt aufgestellt: VERSPÄTUNGEN – ein nicht wieder gut zu machender Schaden Die Anzahl der zu spät kommenden Schüler hat ein absurdes und besorgniserregendes Ausmass erreicht! • Verlorene Zeit • Nicht gelernter Schulstoff • Schlechtere Noten • • • • • • • • Einige Tage nach diesem Vorfall war ich erstaunt über die vielen Kinder und Eltern, die schon vor 7 Uhr auf dem Schulhof warteten. Da erinnerte ich mich daran, dass an diesem Tag die monatliche Prüfungswoche begann. Auf einmal waren alle rechtzeitig! WIRKUNGSLOSE AKTION KulturelleWerte sind tief in uns verankert. Nach nun zehn- jähriger Anpassung an die hiesige Kultur kommt es immer noch vor, dass ich, pünktlich wie Schweizer sind, vor ver- schlossenen Türen stehe oder auf jemanden warte, der es mit der Pünktlichkeit eben nicht so genau nimmt. Das Plakat steht übrigens immer noch am Eingang. Sie ha- ben sogar ein neues gedruckt, weil die brennende Sonne in Teresina das alte schon nach wenigen Tagen gebleicht hatte. Die Schüler kommen aber immer noch zu spät!

Rahel REIFLER, Mitarbeiterin im ProSERTÃO in Brasilien

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