einem 230 000 Hektar großen Schutzgebiet in der Demokratischen Republik (DR) Kongo. Kimbesa hat vor Kurzem sein Studium an der nahe gelegenen Universität von Kisangani abgeschlossen. Dass er einmal einen wichtigen Beitrag zur Klimaforschung leisten könnte, schien lange unvorstellbar. Noch immer lei- det die DR Kongo, in der mehr als die Hälfte des Regenwalds liegt, unter bitterer Armut. Koloniale Ausbeutung, Diktatur und Konflikte haben den Aufbau eines soliden Universitäts- systems behindert. Stellen und Ressourcen für heimische Wissenschaftler sind rar. Erst als die ökologische Bedeutung der Region deutlicher wurde, geriet sie in den Fokus internationaler Naturschutzorganisa- tionen, darunter das Center for International Forestry Research (CIFOR). Es investiert mit Regierungen und Universitäten Millionen- beträge in Infrastruktur, Technologie und die Ausbildung von Wissenschaftlern. Seit 2005 ist die Zahl der Universitätsabsolventen in der Forstwirtschaft von sechs auf mehr als 300 gestiegen. Die kongolesischen Nachwuchs- wissenschaftler machen sich an die Unter- suchung eines der ausgedehntesten und am wenigsten untersuchten Ökosysteme unseres Planeten – es ist dringend an der Zeit. D IE BAUFÄLLIGEN ANLAGEN der Yangambi-Forschungsstation zeugen noch immer von ihrer unrühmlichen kolonialen Vergangenheit. Die nächst- gelegene Großstadt ist das etwa 115 Kilometer entfernte Kisangani. Dort gründete der bel- gische König Leopold II. 1885 eine der ersten Siedlungen seiner späteren Privatkolonie, des sogenannten „Kongo-Freistaats“. Bei ihrer Ankunft entdeckten Abgesandte im neuen Privatvermögen des Königs üppige Vor- kommen an Kautschuklianen. Wenig später begann der globale Kautschukboom. Für immer größere Mengen an Kautschuk- milch benötigte die aufstrebende Kolonie Arbeiter. Leopolds Beamte schlossen Verträge
mit privaten Gesellschaften ab, die die indi- gene Bevölkerung in großer Zahl versklavten. Zehn Millionen Menschen starben Schätzun- gen zufolge an Hunger, Krankheiten und der Brutalität der Kolonisatoren. 1908 ging das Land an den belgischen Staat, der die Kolonie Belgisch-Kongo gründete. Um den Regenwald zu erforschen und herauszufinden, welche Nutzpflanzen sich dort noch erfolgreich kultivieren ließen, rief die neue Regierung das Institut National pour l’Étude Agronomique du Congo belge (INÉAC) in Yangambi ins Leben, ein koloniales Prestigeprojekt der Land- und Forstwirtschaft in den Tropen. For- scher aus dem Mutterland Belgien sammelten und analysierten Zehntausende von Pflanzen- proben und bewahrten sie in Yangambi auf. Dort lagern sie bis heute. In der Forschungsstation geht Bibliotheks- leiter Christian Besombi Afanta zu einem ver- steckten Winkel hinter Reihen von hölzernen Bücherregalen voller Fachzeitschriften aus vergangenen Jahrzehnten. Er breitet einige Schwarz-Weiß-Fotos aus der wissenschaft- lichen Sammlung auf einem Schreibtisch aus. Es sind Bilder von Bohnen und anderem Saat- gut sowie Großaufnahmen von Wurzeln und Blättern von Pflanzen. „Die Belgier wollten die Anatomie aller hier vorkommenden Pflan- zenarten untersuchen und ihren wirtschaft- lichen Wert ermitteln“, erklärt Afanta. Sie legten Ölpalmen-, Reis- und Kaffeeplantagen an. Dabei entdeckten sie auch eine neue Kaf- feeart, die bis heute beliebte Robusta-Bohne. Andere Fotos zeigen die dunkle Seite der Geschichte Yangambis: Schwarze schuften auf den Feldern, während weiße Wissen- schaftler in den Laboren forschen. Dabei hatte Belgisch-Kongo die grausamsten Praktiken des ehemaligen Freistaats schon beendet, als Yangambi gebaut wurde. Doch die Struktu- ren wurzelten fest im System der kolonialen Ausbeutung. „Unsere Großväter und Väter waren hier nur die Arbeiter“, sagt Afanta. „Wie schwer die Tätigkeit auch sein mochte, sie ver- richteten fast alles mit bloßen Händen, immer nach den Befehlen der Belgier.“
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