NATIONAL GEOGRAPHIC

1960 zwangen Vertreter der kongolesischen Unabhängigkeitsbewegung die belgische Regierung, das Land in die Unabhängigkeit zu entlassen. Die belgischen Forscher ver- ließen Yangambi. Sie hatten keinen einzigen kongolesischen Wissenschaftler ausgebildet, der ihre Arbeit fortführen konnte. „Sie wollten niemanden anlernen, der ihnen das Wasser reichen konnte“, sagt Afanta. Unter Diktator Mobutu Sese Seko geriet die Forschungssta- tion in Vergessenheit. Doch nicht alle hatten Yangambi verlassen. N ACH DER UNABHÄNGIG- KEIT der DR Kongo gingen die Arbeiter aus den umlie- genden Dörfern, die die belgischen Wissenschaftler zur Verrichtung kleiner technischer Auf- gaben angeworben hatten, stillschweigend weiter ihren Tätigkeiten nach. Sie hatten keine Garantie dafür, dass der neu gebildete

Kilometern Entfernung auf. Dort liest er die meteorologischen Daten von einer Samm- lung rudimentärer Messinstrumente ab. Mit Papier und Stift notiert er die Daten von zwei im Jahr 1928 aufgestellten Regenmessern, Thermometern und einem Anemometer, das Windgeschwindigkeit und -richtung im Zeitver- lauf registriert. „Vor Jahrzehnten hatte mein Vater mit dieser Tätigkeit begonnen. Sie war sein Leben“, erzählt Angwale. „Aber irgend- wann wurde er müde.“ Angwale übernahm die Aufgabe von seinem Vater, der nur sechs Monate später starb. Unterdessen hatte der Mangel an ver- lässlichen Daten über Klimaveränderungen im Kongobecken dramatische Folgen: Der Regenwald wurde in globalen Berichten und Analysen nicht erwähnt oder falsch dargestellt. 2021 war das Kongobecken eine von nur zwei Regionen weltweit, die dem Weltklimarat nicht genügend Daten liefern konnten, um extreme Hitzeereignisse in der Vergangenheit darzustellen.

„WENN MAN die MESSDATEN ABLIEST […], FÜHLT MAN SICH auf eine BESONDERE WEISE mit dem WALD VERBUNDEN. MAN NIMMT DINGE WAHR, die ANDEREN VERBORGEN BLEIBEN.“

FABRICE KIMBESA, BIOLOGE, YANGAMBI-FORSCHUNGSSTATION

kongolesische Staat sie weiter bezahlen würde. Als sie irgendwann zu alt zum Weiter- machen waren, übernahmen ihre Söhne ihre Aufgaben und dokumentierten die Klimaver- änderungen in der Region. Bis heute verrichten Menschen wie Henry Alangwi Angwale fünfmal am Tag die seit Generationen an der Forschungsstation aus- geführten Arbeiten. Morgens macht er sich zu einem grasbewachsenen Gelände in einigen

Emmanuel Kasongo Yakusu ist Doktorand im Fachbereich Forstwirtschaft an der Uni- versität Gent in Belgien und unterrichtet an der Universität von Kisangani. Er hörte 2011 von den jahrzehntelangen Arbeiten der Klimabeobachter an der Forschungsstation. Yakusu wollte damals untersuchen, wie der Klimawandel die vom Regenwald abhängi- gen indigenen Gemeinschaften betraf. „Als ich diesen Raum zum ersten Mal betrat, kam

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