NATIONAL GEOGRAPHIC

USA

Während der pandemiebedingten Lockdowns verlagerte sich der illegale Handel noch stärker ins Internet, sagt Xochitl Ayón Güemes, Ornitho- login und Vogelkuratorin am Nationalmuseum für Naturgeschichte in Havanna. Kubanische Behörden haben auf Anfragen nach Einzelheiten über den Fang und Schmuggel von Singvögeln und die strafrechtliche Verfolgung dieser Straf- taten nicht reagiert. Die Haltung von Vögeln in Käfigen betrach- teten viele Kubaner als Tradition, „sodass sie trotz der Tatsache, dass es sich um einen Verstoß handelt, gesellschaftlich akzeptiert wird“, sagt Maikel Cañizares, Ornithologe im Ministerium für Wissenschaft, Technologie und Umwelt. Das Hobby geht auf die spanischen Eroberer zurück und hat sich immer mehr verbreitet, sagt der Biologe Giraldo Alayón García, ehemaliger Präsident der Kubanischen Zoologischen Gesell- schaft, heute Präsident der Fundación Arigua- nabo. Die gemeinnützige Organisation fördert Natur, Wissenschaft und Kultur. Viele Kubaner wollten bunte Vögel in ihrem Haus haben, um sich an ihrem Gesang und ihrer Schönheit zu erfreuen. Die Menschen gäben diese Tradition von Generation zu Generation weiter, sagt er. Für manche Kubaner sind die Singvögel auch ein Geschäft. Die jüngste Lebensmittelknapp- heit und die wirtschaftliche Belastung durch die US-Politik haben die Geldsorgen verschärft; der illegale Fang von wilden Singvögeln ist billiger und einfacher als ihre Aufzucht zu Hause. „Der Geldbetrag, den man [mit dem Handel von Singvögeln] machen kann, ist ziemlich begrenzt“, sagt Lillian Guerra, Professorin für kubanische und karibische Geschichte an der University of Florida. Auf Facebook werden man- che Vögel für nicht mehr als 20 Dollar angeboten. Die Wetteinsätze variieren jedoch stark – bis zu Tausenden von Dollar. Doch der Fang von wilden Singvögeln for- dert seinen Tribut. Heute sei es mancherorts

ATLANTISCHER OTZEAN

Golf von Mexiko

Miami

Everglades- Nationalpark

Havanna

Cienfuegos

Trinidad

r i

Santiago de Cuba

150 km

An einem Sonntagmorgen trafen die Männer

schon früh mit ihren Meistersängern ein.

Sie sammelten sich an einem abgelegenen Ort in Havanna. Es war September, Vogelzugsaison in Kuba. Papstfinken, Indigofinken und Rosen- brust-Kernknacker waren gefragt, es herrschte ein Wirbel von Farben und Gesängen. Die Sonn- tage waren für Singvogelwettbewerbe beliebt. Tage zuvor hatte jemand den Veranstaltungs- ort in einer der kubanischen Singvogel-Face- book-Gruppen gepostet, denen ich im Juli 2021 beigetreten war. Wegen der Pandemie-Beschrän- kungen konnte ich nicht selbst nach Kuba reisen; ein lokaler Kontakt hatte sich unter der Bedin- gung, anonym zu bleiben, bereit erklärt, für mich an dem geheimen Treffen teilzunehmen. Ein kubanisches Gesetz zum Erhalt der biolo- gischen Vielfalt aus dem Jahr 2011 verbietet den Fang vieler Singvögel zu anderen Zwecken als der wissenschaftlichen Forschung. Wettbewerbe, bei denen um die Vögel gewettet wird, die am längsten und melodischsten singen, sind illegal. Doch Aufnahmen davon werden offen gepostet; manche Posts, in denen Singvögel zum Verkauf angeboten werden, weisen ausdrücklich darauf hin, dass diese in freier Natur gefangen wurden. Unterstützen Sie Wildlife Watch, ein Repor­ tageprojekt, das die Ausbeutung von Wild­ tieren beleuchtet, durch Spenden an die National Geographic Society: natgeo.org/joinus

OBEN Beamte der Florida

UNTEN In Cienfuegos sehen Männer zwei Vögeln beim Singen zu. Bei manchen Wettbewer­ ben geht es nur um den Stolz auf die Vögel und um das gesellige Bei­ sammensein, bei ande­ ren um lukrative – und illegale – Wetten.

Fish and Wildlife Con­ servation Commission mit beschlagnahmten Vogelkäfigen und Fal­ len. Ein ganzer nahe gelegener Schuppen ist mit solchen beschlag­ nahmten Gegenstän­ den gefüllt.

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KARTE: ROSEMARY WARDLEY, NGM

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