Bei orkanartigem Sturm sorgen Öffnungen in der Fassade des Templo del Dios del Viento („Tempel des Windgottes“) dafür, dass das Heulen des Windes in ganz Tulum zu hören ist – gewissermaßen als ein Maya- Katastrophenalarm. Dieser Aussichtspunkt liegt nicht weit entfernt von einem Halt der neuen Zugstrecke.
FOTO: ANGIE SMITH
frühe Umfrage ergab eine Zustimmung von 90 Prozent. Was manche Gegner de facto bewege, sagt er, sei Angst: Die Wohlhabenden und Erfolgreichen wollten im Allgemeinen keine gerechtere Gesellschaft. Der Tren Maya wurde extrem schnell gebaut, gegen ihren Willen. Das verunsichere diejenigen, die an Macht und Einfluss gewöhnt seien. Aus Étiennes Sicht brachte die Wahl von Amlo echten Fortschritt für Mexiko. Die Sozialleistungen stiegen, Kinder aus armen Familien bräuchten nicht mehr die Schule abzubrechen. Für ihn verkörpert der Tren Maya diesen hoffnungsvollen neuen Opti- mismus in einem einzigen triumphalen Werk. Im Zug selbst herrscht gute Stimmung. Er verbindet viele Städte, die einst durch lange, holprige Autofahrten voneinander getrennt waren. Die Passagiere, fast alle Mexikaner, vielfach in Familienstärke, laufen durch die Gänge, machen Fotos oder holen Snacks aus dem Speisewagen. Manche tragen Tren- Maya-Käppis und -Shirts, die sie im Souvenir- shop in einem der Bahnhöfe erstanden haben. Das Reinigungspersonal wischt nach fast jedem Halt einmal durch. Eine Region, die lange Zeit unter Konflikten, Versklavung und Ressourcenausbeutung gelitten hat, hat endlich etwas zurückgewonnen. „Dieser Zug ist ein wunderbares Geschenk“, meint Anna Danieli aus Guadalajara „Ich fühle mich wie eine Königin, wie Lady Diana.“ „Ich platze vor Stolz, Mexikanerin zu sein“, stimmt Norma Villarreal ein, die mit ihrer 90-jährigen Mutter aus Monterrey reist. „Ich bin Lehrerin und kann es kaum erwarten, meinen Schülern davon zu erzählen.“
salzhaltiger Luft dürfte dauerhaft immense Summen verschlingen. In ein paar Jahren schon, ist Otto sicher, werde die Anlage ver- rostet und überwuchert sein – ein neues Rui- nenmonument wie die Tempel von Tulum. ÉTIENNE VON BERTRAB hingegen sieht im Tren Maya eines der wichtigsten Projekte in der Geschichte Mexikos. Er gibt Verluste zu – zerbrochene Stalagmiten, Jahrmillionen alt –, aber glaubt, dass die Gewinne für kommende Generationen überwiegen. Laut Étienne unterstützt eine große Mehr- heit der Bevölkerung den Tren Maya. Eine
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