Pranowo, Gouverneur von Zentraljava, ist sich der begrenzten Wirkung dieser Baumaßnahme bewusst. Die Regierung könne es sich einfach nicht leisten, längere Dämme zu bauen, um grö- ßere Küstenabschnitte zu schützen, sagt er. Rie- sige Pumpstationen wären nötig, um Hochwasser hinter der Schutzmauer zu entfernen; zudem müsse das System unablässig gewartet werden. Dafür fehle der Regierung Geld, so Pranowo. „Als letzter Ausweg bleibt nur der Umzug an einen sichereren Ort“, sagt Pranowo, der 2024 voraussichtlich für das Amt des indonesischen Staatspräsidenten kandidieren wird. „Wenn die Menschen unbedingt dortbleiben wollen, müssen sie sich an die Umgebung anpassen, indem sie zum Beispiel Stelzenhäuser bauen. Ihr früheres Land können sie jedoch unmöglich zurückbekommen; das liegt jetzt unter Wasser.“ VOR KURZEM MACHTE SICH der 16-jährige Schüler Khusnumarom auf den Weg zum Friedhof von Timbulsloko. Barfuß spazierte er den schmalen, rund drei Kilometer langen Holzsteg entlang, den die Anwohner im Jahr zuvor als Ersatz für die verschwundenen Straßen angelegt hatten. Er wandte sich nach rechts, stieg eine Holztreppe hinab und überquerte auf der rutschigen, über- schwemmten Straße einen Bach. Auf der ande- ren Seite kletterte er wieder auf den Steg. Als er den überfluteten Friedhof erreichte, wurden die Schatten bereits länger. Die Silhou- etten des abgestorbenen Baums und der Grab- steine zeichneten sich vom tief orangefarbenen Himmel ab. Khusnumarom fand das Grab sei- ner Großmutter Mukminah und hob die Hände zum Gebet. Khusnumarom weiß noch aus Gutenachtge- schichten, wie sein Dorf einst aussah. Mit dem Tod der Älteren werden diese Erinnerungen allmählich verblassen, und früher oder später werden auch die Geschichten in Vergessenheit geraten. Wie viele andere Jugendliche will Khus- numarom nicht in Timbulsloko bleiben. Wenn er mit der Schule fertig ist, wird er sich in der Stadt eine Arbeit suchen. Er möchte Software- ingenieur werden. j Aus dem Englischen von Dr. Katja Mellenthin Der Multimedia-Journalist Adi Renaldi schreibt aus Jakarta Reportagen für Medien auf der ganzen Welt. Der Fotograf Aji Styawan lebt nur wenige Kilometer entfernt von den hochwassergefährdeten Dörfern, die er für diesen Artikel fotografierte.
für durchlässige Wellenbrecher aus Bambus und PVC-Rohren, die haltbarer als reiner Bam- bus und trotzdem billig sind. „Das Problem der Landabsenkung ist damit allerdings nicht gelöst“, fügt er hinzu. „Ganz gleich, wie viele Wellenbrecher wir installieren – sie werden letzt- lich nichts nützen.“ Die indonesische Regierung lässt derzeit eine 27 Kilometer lange Mautstraße zwischen Semarang und der Stadt Demak bauen, die zugleich als Damm fungiert. Der wird aber nur kleine Bereiche zweier Ortschaften schüt- zen. Bei Bewohnern anderer Dörfer wie Tim- bulsloko und Sayung sorgt das Vorhaben für Unmut und erweckt den Eindruck, als ließe man ihre Gemeinden einfach untergehen. Ganjar
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EIN LAND VERSINKT
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