„Jeder, der jemals auf der Erde gelebt hat und sehen kann, hat den Mond gesehen“, sagt Brian Green, Philosoph an der Santa Clara University und Experte für ethische Fragen in der Raumfahrt. „Mit so etwas kann man nicht einfach herumspielen.“ Der Mond ist zudem in vielen Kulturen heilig, heute und in der Vergangenheit. Im Jahr 2024 protestierte das Diné-Volk der Navajo Nation gegen das Vorhaben eines Privatunternehmens, menschliche Asche auf den Mond zu schicken, und nannte es einen Akt der Schändung. (Der Lander des Unternehmens scheiterte dann daran, den Mond zu erreichen.) Jetzt ist der Moment, um Schutzmaß- nahmen einzurichten, sagt Crawford, weil es der einfachste Zeitpunkt ist. Nieman- des Geschäftsinteressen werden dabei verletzt. Mahesh nimmt bereits an Tref- fen teil, bei denen zukünftige Missionen geplant werden, um sich für eine strenge Kontrolle der Funkstille einzusetzen. Und es gibt langsam fortschreitende, von der UN geförderte Gespräche über verwandte Themen – ein System zur Flugverkehrs- kontrolle auf dem Mond, die Vergabe von Funkfrequenzen, Regeln zur Rettung von Astronauten in Gefahr. Die zunehmende Aktivität rund um den Mond wird diese Debatten voran- treiben. Länder auf der Erde schaffen seit Jahrhunderten Normen und Regeln über den Umgang mit Meeresressourcen – der Umgang mit dem Mond könnte ähnlich aussehen. Die Entfernung könnte den Anschein erwecken, dass Regelverstöße ungeahndet bleiben. Wer soll denn zum Nordpol des Mondes eilen, um ein Bußgeld zu verhängen, wenn jemand die Grenzen des Schutzgebiets nicht einhält? In abseh- barer Zukunft wird jedes Unternehmen, jedes Land und jede wissenschaftliche Ein- richtung, die auf dem Mond aktiv ist, von der Erde aus arbeiten. Von hier aus müssen die Regeln durchgesetzt werden, nur hier können Strafen verhängt werden.
Eine der ungeschriebenen Regeln auf hoher See lautet: Es kommt darauf an, Präsenz zu zeigen. Nicht umsonst besit- zen die USA insgesamt elf Flugzeugträger- kampfgruppen für die sieben Weltmeere; die chinesische Marine hat innerhalb des vergangenen Jahrzehnts stetig Schiffe dazugewonnen und verfügt nun über mehr Kriegsschiffe als die US-Marine. Dasselbe Prinzip wird auf dem Mond gelten. Bei dem Rennen zum Mond geht es um Abenteuer, wirtschaftliche Chancen und Wissenschaft – aber auch um Präsenz. Wessen Aktivi- täten auch immer auf dem Mond domi- nieren, wird die Regeln dort am stärksten beeinflussen und seine Zukunft formen.
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ZUM MOND ZU FLIEGEN, um dort zu leben und zu arbeiten, wird dieselbe Kombina- tion aus Hybris und Demut erfordern, die es auch für andere verrückte Vorhaben des Menschen gebraucht hat – die Trans- continental Railroad von Omaha bis Sacra- mento, die Erforschung von Nord- und Südpol, die Erfindung des Internets, nicht zuletzt die ersten Mondlandungen. Wir unterschätzen zweifellos die He- rausforderungen, wie wir es bei jedem dieser Vorhaben getan haben. Den Mond zu erobern, wird in der Realität schwieri- ger sein, als alle es hoffen. Seit 2018 gab es 15 Missionen, um Raumsonden auf der Mondoberfläche zu landen, von ganz ver- schiedenen Ländern und Unternehmen. Nur sechs davon haben es geschafft. Eine Misserfolgsquote von 60 Prozent, mit der Technologie des 21. Jahrhunderts. Eine Vorreiterfirma, Intuitive Machines, hat es als erstes privates Unternehmen geschafft, ein Raumfahrzeug weich und absturzfrei auf der Mondoberfläche zu
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