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BAUEN UND RENOVIEREN

F rüher oder später setzt sich im Kopf eines jeden Holzwerkenden die Idee fest, dass sich eine Rundung an dieser oder jener Stelle des Werkstücks ganz her- vorragend machen würde. Wenn es um die Fläche geht, also wenn etwa eine Tisch- kante keine scharfe Ecke haben, sondern abgerundet sein soll, lässt sich diese Idee leicht realisieren. Was aber, wenn auch die Zarge des Tisches der Rundung dieser Tischplatte folgen soll? Solche Rundun- gen aus dem vollen Material zu sägen, ist gleich aus mehreren Gründen keine gute Idee. Im Falle einer Zarge soll diese ja die Tischplatte stabilisieren, muss also eine gewisse Höhe mitbringen. Um einen sol- chen Schnitt überhaupt durchführen zu können, müsste schon eine stabile Band- säge zur Verfügung stehen. Schließlich ist eine Stichsäge bei einer Materialstärke von über drei Zentimetern schnell überfordert, sodass der Sägeschnitt verläuft. Zudem ist der Verschnitt bei einem solchen Vorge- hen maximal – weniger effizient lässt sich Holz kaum nutzen. Das wichtigste Argu- ment gegen das Sägen betrifft jedoch die Stabilität. Beim Sägen einer Rundung ins volle Material ist ein Schnitt quer zur Faser zwangsläufig (siehe Bild unten). Wer schon einmal Holz gehackt hat, weiß, wie leicht sich dieses in Faserrichtung spalten lässt. Kurz gesagt: Wer so vorgeht, baut sich gleich mehrere Sollbruchstellen ins Werkstück ein. In der Theorie ließe sich dieses Manko umgehen, indem die Rundungen in meh- rere dünne Bretter gesägt und diese dann zur benötigten Materialstärke auflaminiert

Ralf Glaser Redakteur bei selber machen

werden. Dadurch würden sich aller- dings sowohl der Material- als auch der benötigte Zeit- aufwand multipli- zieren. Man kann es drehen und wenden wie man will: Wenn Holz bei überschauba- rem Aufwand nicht nur rund werden, son- dern auch stabil bleiben soll, führt am Biegen kein Weg vorbei. Holz biegen – wie das?

„Das Dampfbiegen zu beherrschen, erweitert die Möglichkeiten enorm. Der Vorgang ist unkomplizierter, als viele denken. Mit etwas Experi- mentierfreude ist die Technik schnell erlernt!“

und das Holz daher noch äußerst flexibel. Durch die Trocknung härtet auch das Lignin aus und verleiht dem Holz seine endgül- tige Stabilität. Anders als bei Epoxidharz ist das Aushärten bei Lignin jedoch reversibel. Unter Einwirkung von Wasserdampf und Hitze lässt sich auch jahrelang getrocknetes Lignin wieder erweichen. Dadurch wird die Bindung zwischen den einzelnen Holzfa- sern elastisch, sodass sich diese beim Biege­ vorgang zueinander verschieben können. Fixiert man das Holz dann bis zum Erkalten, schafft das Lignin eine Bindung der Holz- fasern in ihrer neuen

Dass Holz flexibel ist und sich inner- halb gewisser Grenzen biegen lässt, weiß jedes Kind. Genauso, dass das Holz wieder zurückfedert, sobald die Krafteinwirkung nachlässt, und dass es ab einem gewissen Biegewinkel einfach bricht. Dieses Verhalten lässt sich mit der Struktur des Holzes erklären, das wie ein natürlicher Kompositwerkstoff aufgebaut ist. Ähnlich wie eine Carbon-Faserplatte besteht auch Holz im Wesentlichen aus langen, sehr zugstabi- len Fasern, die jedoch in Querrichtung flexi- bel sind. Die Festigkeit der Struktur wird erst durch das Zusammenkleben vieler Fasern zu einer Einheit erreicht. Beim Carbon wird diese Aufgabe durch Epoxidharz übernom- men, im Holz kommt ein natürliches Bin- demittel namens Lignin zur Wirkung. Beim lebenden Baum oder in frisch geschlagenem Grünholz ist das Lignin mit Wasser getränkt

Keine gute Idee: Das Sägen einer Rundung aus dem vollen Material ist schwierig zu realisieren, und zudem ist der Verschnitt hoch. Wichtiger noch: Man schneidet zwangsläufig quer zur Faser und baut sich so Sollbruchstellen in das Werkstück ein. Bei gebogenen Hölzern bleibt die Faser dagegen intakt , sodass das Holz nach dem Erkalten wieder seine volle Stabilität erhält

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