SH KERN RZ 2

Die vorherrschenden, immer prekärer werdenden ökonomischen und sozia- len Bedingungen im Kunstbereich stellen viele Künstler_innen zunehmend vor die existenzielle Frage, wie künstlerische Produktion weiterhin möglich sein kann. In der vorliegenden Diplomarbeit wird anhand eines künstle- risch-kuratorischen Projektes und dessen theoretisch-diskursiver Kontextua- lisierung der Frage nachgegangen, wie eine eigenständige und weitgehend selbstbestimmte Kunst- und Ausstellungspraxis trotz verschiedener Formen der Ressourcenknappheit etabliert werden kann. Die autobiografischen Er- fahrungen der Verfasserin dieser Diplomarbeit fließen in die Analyse und künstlerisch-kuratorische Projektentwicklung mit ein. Geht man davon aus, dass Künstler_innen sich mit der sie umge- benden Welt intensiv befassen, so lässt sich vermuten, dass diese Themen zunehmend Eingang in die künstlerische Praxis nehmen – was sich auch empirisch bestätigen lässt. Dazu schreibt der Kulturtheoretiker und Kunst- historiker Marko Stamenkovic:

„The articulation of voices to be heard and under- stood within the ‚silenced society‘ of contem- porary neoliberalism […] must play a significant role in defining the status and positions of contemporary artists in the neoliberalism.“ (Stamenkovic, 2008)

Dabei müssen sowohl die ökonomischen Bedingungen, Fragen der Sicht- barkeit und der Präsentationsmöglichkeiten und Rezeptionsmodi als auch die sozialen Verstrickungen und das Verhältnis von Kunst und Kapitalismus in und durch die künstlerische Arbeit thematisiert werden. In folgender Aus- einandersetzung wird der White Cube – als die noch immer gängige Prä- sentationsform von „etablierter“ Kunst – als der zentrale Ort verstanden, wo Kunst und Kapital aufeinandertreffen. Die Problematik der Sichtbarkeit sowie der Präsentation und Rezep- tion von Kunst begleitet mich in meiner künstlerischen Arbeit schon lange. Meine künstlerische Praxis ist wiederholt durch das Nachdenken über die Produktionsbedingungen der Kunst geprägt. Ich versuche stets, die theore- tischen Erkenntnisse in Bezug zur künstlerischen Arbeit zu setzen und um- gekehrt. In dieser Diplomarbeit beziehe ich mich insbesondere auf die theore- tisch-diagnostischen Ansätze und Analysen von Bojana Kunst, Marion von Osten, Brian O’Doherty, Simon Sheikh, Gregory Sholette, Juliane Reben- tisch und Isabelle Graw. Im Laufe meiner theoretischen Recherche und in Bezug auf meine weitere künstlerische Vorgehensweise ist die Idee zum Pro- jekt VAN Art Space entstanden, ein Kunstraum im Kofferraum meines Autos. Das Projekt VAN verhandelt diese Themen auf einer formalen Ebene des Kunstwerkes, kann aber gleichzeitig als eine kritisch-produktive Reflexion an den bestehenden wirtschaftlichen Verhältnissen und als eine nuancierte Form von Institutionskritik am White Cube verstanden werden. Die Wahl des Themas der vorliegenden Arbeit ergab sich zum Teil aus meiner eigenen Ressourcenknappheit in Bezug auf das künstlerische Arbei- ten, andererseits aus dem immer wiederkehrenden Gefühl der produktiven Ohnmacht und Erschöpfung in Bezug auf das politische Leben und die Sicht- barmachung meines künstlerischen Schaffens. Ich bin in meiner derzeitigen

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Einleitung

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