SH KERN RZ 2

Begriffsdefinitionen: Prekarität, Neoliberalismus, Postfordsimus

2.1

Prekarität Der Begriff Prekarität ist eng verknüpft mit den Lebensverhältnissen von Kunstschaffenden nicht nur in der bildenden Kunst, sondern aller Genres wie auch Literatur, Film und Performance. In der jüngeren Vergangen- heit wird Prekarität jedoch nicht nur auf marginalisierte gesellschaftliche Gruppen bezüglich Erwerbssicherheit angewandt – Künstler_innen oder auf dem Arbeitsmarkt durch mangelnde Ausbildung oder atypische Be- schäftigungsverhältnisse schlecht gestellte Personen – sondern ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen (vgl. Lorey, 2012, S. 13). Durch die im Spätkapitalismus „zunehmende ökonomische Instabilität“ (Siegele & Siclodi, 2020) seien alle Menschen in entwickelten Industriestaaten da- von betroffen. Der Philosoph Maurizio Lazzarato begründete den Begriff in den 1990er- Jahren, um vor allem auf die spezifischen Bedingungen der „immateriellen Ar- beit“ hinzuweisen, die nahezu „charakteristisch für das Kunstfeld sind“ (ebd., S. 156). Jene Arbeitskultur der künstlerischen Produktion sei von einem ho- hen Maß an „Engagement, Eigenverantwortlichkeit, persönliche[r] Motivation, Anpassungsfähigkeit und Risikobereitschaft“ (ebd., S. 157) gekennzeichnet. Es sind genau diese Eigenschaften, welche seit den späten 1960er- Jahren von Kunstschaffenden verkörpert wurden und deren Akteur_innen damals unter dem Begriff der „Institutionskritik“ gegen einen ungezügelten Kapitalismus protestierten. Wie Boltanski und Chiapello in ihrem Werk Der neue Geist des Ka­ pitalismus (1999) analysieren, war es „nur allzu logisch, dass diese – proble­ matische, da die bürgerliche Mythologisierung des KünstlerInnensubjekts und dessen Erzeugnisse reproduzierende – Ansicht in internationalen Ma- nagementkreisen rezipiert und zur Gestaltung einer neuartigen Form der Unternehmensführung angewandt wurde.“ (Siegele & Siclodi, 2020, S. 157) Neoliberalismus Ursprünglich stellt der Begriff Neoliberalismus von Alexander Rüstow (1938) einen bewussten Gegenentwurf zur Idee einer völlig deregulierten, taylo- ristischen Wirtschaftsordnung dar. Er wurde als eine Neuinterpretation der marktwirtschaftlichen Ordnung geprägt und erfuhr im Laufe der letzten Jahrzehnte eine Umkehrung ins Negative. Die heute gängige Bedeutung wird mit einem an Einfluss schwächer werdenden Staat als Regulativ und damit einhergehenden (der Gesellschaft nachteiligen) Privatisierungen, Sozialabbau und der Idee der eigenen Ar- beitskraft als Humankapital verknüpft (vgl. Felber, 2013). Marko Stamenkovic meint, dass die vorherrschenden politischen, sozialen und ökonomischen Aspekte der heutigen Gesellschaft als ein Bündnis zwi- schen dem vorherrschenden neoliberalen Regime der Globalisierung und der demokratischen Politik erkannt werden müssen:

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Prekär arbeiten – Prekarität, Neoliberalismus, Familie

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