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O’Doherty erinnert uns anknüpfend daran, dass Galerien Geschäfte sind. Dies wurde im Herbst 2020 deutlich, als während der Corona-Krise Galerien im Gegensatz zu unabhängigen Kunsträumen von ersten Öffnungs- schritten nach dem Lockdown profitieren konnten. Nach O’Doherty sind sie Orte für die Produktion von Mehrwert, nicht von Gebrauchswert – „[...] and as such, the modern gallery employs the formular of the white cube for an architectonics of transcendence in which the specificities of time and of pla- ce are replaced by the eternal.“ (Sheikh, 2009) Sheikh definiert den White Cube (nach O’Doherty) also als einen na- hezu sakralen Raum, der (trotz seines modernen Designs) einem antiken Grabmal ähnelt, das von der Zeit unberührt ist und unendliche Reichtümer enthält. O’Doherty nutzt hierbei diese Analogie von Grabmal und Schatz- kammer, um zu beleuchten, wie der White Cube konstruiert wurde, um den Kunstwerken eine zeitlose Qualität (und damit einen bleibenden Wert) zu verleihen, sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Sinne. Er ist damit sowohl ein Raum für die Unsterblichkeit der kulturellen Werte einer bestimmten Klasse oder Kaste als auch ein Schauplatz für Objekte, die eine gute wirtschaftliche Investition für mögliche Käufer darstellten. Mit anderen Worten: Der White Cube etabliert eine entscheidende Dichotomie zwischen dem, was draußen bleiben soll (das Soziale und das Politische) und dem, was drinnen ist (der bleibende und finanzielle Wert der Kunst; vgl. Sheikh, 2009). Der White Cube ist als ein kontextfreier Ort konzipiert, an dem Zeit und sozialer Raum von der Erfahrung der Kunstwerke ausgeschlossen sein sollen. Wenn der Galerieraum laut O’Doherty mit Ideologie gesättigt ist und durch künstlerische Praktiken räumlich und politisch analysiert werden kann (vgl. viertes Kapitel von O’Dohertys „Die Galerie als Gestus“), dann könne diese Methode auch auf andere Räume und Nicht-Räume übertragen wer- den, meint Sheikh:

„This can lead to a comparative analysis of space: an analysis of territories, states, insti- tutions, and their contingent mechanisms of inclusion and exclusion, representation and de-presentation – an analysis that not only de- termines what is shown and what is not shown, but also what must be eradicated in order for one spatial formation to take precedence over another.“ (Sheikh, 2009)

Mein Projekt VAN Art Space, welches im folgenden Kapitel vorge- stellt wird, könnte als ein Ansatz in Hinblick auf Simon Sheikhs Vorschlag betrachtet werden. Während das Projekt selbst eine vergleichende Analyse des Raums anstellt, konkret, indem es als künstlerisch-kuratorisches Projekt Fragen der Institution des White Cube und seine kontingenten Mechanismen der Inklusion und Exklusion thematisiert, spielt der White Cube im Koffer- raum eines Familyvans mit der zuvor erwähnten Dichotomie zwischen dem außerhalb des Kunstkontexts Stehenden (das Soziale und das Politische) und dem Zugang zur Galerie (der bleibende und finanzielle Wert der Kunst).

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Sophia Hatwagner

VAN Art Space

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