beyond - Internationale Impulse für die Jugendarbeit 01|24

Der Schwerpunkt dieser Ausgabe von beyond ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Beide Länder verbindet eine lange gemeinsame Geschichte.

2024 01

INTERNATIONALE IMPULSE FÜR DIE JUGENDARBEIT

IM FOKUS: Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

KINDER- UND JUGENDHILFE MEHR INTERNATIONALE PERSPEKTIVEN

FORSCHUNG JUGENDAUSTAUSCH MIT UK

EDITORIAL

Liebe Leser*innen, aus dem IJAB journal wird beyond – Internationa- le Impulse für die Jugendarbeit. Wir möchten da- mit alle einladen, einen Blick über den Tellerrand zu werfen und die vielen Chancen kennenzuler- nen, die internationaler Austausch und grenz- überschreitendes Voneinanderlernen für junge Menschen und Fachkräfte bieten. Dieser verän- derte Fokus unserer Arbeit ist eines der ersten sichtbaren Ergebnisse unseres neuen Leitbilds, das wir mit allen Akteur*innen aus Geschäftsstel- le, IJAB-Vorstand, Mitgliedsorganisationen und Bundesjugendministerium im vergangenen Jahr erarbeitet haben. Der Schwerpunkt dieser Ausgabe von beyond ist die Zusammenarbeit mit der Türkei. Beide Län- der verbindet eine lange gemeinsame Geschichte. 3 Millionen Migrant*innen und ihre Nachkom - men aus der Türkei leben in Deutschland. Kaum ein Partnerland ist uns so vertraut – wenn wir mit den türkeistämmigen Wohnungsnachbarn plau- schen oder unseren Urlaub an der türkischen Mittelmeerküste verbringen – und löst zugleich mit Blick auf die politische Entwicklung des Lan-

des so hitzige Debatten aus. Gerade dieser Span- nungsbogen macht die Türkei so interessant für den Jugend- und Fachkräfteaustausch. Er bietet – von der psychischen Gesundheit bis zur Digita- lisierung – zahlreiche Themen, lädt zum System- vergleich ein und ist oft überraschend. Die Redaktion von beyond hat unterschiedliche Stimmen eingeholt – von einer Soziologin, einem Minsteriumsmitarbeiter, aus der politischen Bil- dung, von Jugendverbänden, von Fördermittel- gebern und von Praktiker*innen im Austausch. Außerdem stellen wir Ihnen unsere eigenen Ange- bote vor und laden Sie herzlich ein, selbst in den aktiven Austausch mit der Türkei zu treten. Die Internationalisierung der Kinder- und Jugend- hilfe ist uns ein wichtiges Anliegen, um nachhaltig mehr Angebote für jungen Menschen zu schaffen und gleichzeitig unsere eigene Praxis durch inter- nationale Impulse weiterzuentwickeln. Warum diese Internationalisierung der Kinder- und Ju- gendhilfe so wichtig ist, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Schröer von der Universität Hildesheim in seinem einleitenden Beitrag. Eines der herausragenden Projekte zum Thema Internationalisierung ist die Fachkräfteinitiative.International. Ein wichtiger Aspekt war dabei die wissenschaftliche Beglei- tung durch das Forschungsteam rund um Prof. Schröer. In unserer Rubrik Forschung werfen wir daher nochmal einen Blick auf die Internationali- sierung aus der Perspektive der Wissenschaft.

Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.

Ihr Daniel Poli

Daniel Poli, Direktor von IJAB

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beyond 1|2024

Inhalt

Forschung

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Weitblick gefragt

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Impulsbeitrag

Internationalisierung der Kinder- und Jugendhilfe  Christoph Bruners Jugendaustausch mit dem Vereinigten Königreich Sabine Brodesser, Cathrin Piesche Forum IJAB auf dem Bundeskongress Kinder- und Jugendarbeit

Prof. Dr. Wolfgang Schröer IM FOKUS: Türkei

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Im Austausch mit der Türkei Christina Gerlach Mehr als nur ein Auslandsjahr

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Tillie Kluthe Die Wunden heilen

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Termine

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Interview mit Saliha Biçer und Murat Sözeyatarlar Deutsch-türkischer Austausch

Juli bis Dezember 2024 Impressum 

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Georg Pirker Mitbestimmung vor Ort

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Melanie Liedtke Selbst unter Druck überlebt die türkische Zivilgesellschaft Interview mit Laden Yurttagüler „Diese Wahl hat gezeigt, dass es noch Hoffnung auf Veränderung gibt“

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Interview von Özge Erdoğan mit Hasan Oğuzhan Aytaç Über den Tellerrand Interview mit Ulrike Mund Bildung hat oberste Priorität Interview mit Ümit Bolat Austausch mit der Türkei: Das hat IJAB im Angebot

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Weitblick gefragt

Inter- und transnationale Perspektiven in der Kinder- und Jugendhilfe Die deutsche Kinder- und Jugendhilfe hat viele Verflech­ tungen, die aus internationalen Kontexten stammen. Die UN-Kinderrechtskonvention ist ein gutes Beispiel dafür. Diese internationalen Zusammenhänge werden aber zu wenig wahrgenommen. Stattdessen begrenzt sich die Kinder- und Jugendhilfe auf nationale Perspek­ tiven. Prof. Dr. Wolfgang Schröer von der Universität Hildesheim wünscht sich einen weiteren Blick, denn die Alltagswelten junger Menschen sind längst inter- und transnational verflochten.

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Wolfgang Schröer

Impulsbeitrag

Die inter- und transnationalen Verflechtungen der Kinder- und Jugendhilfe werden zu wenig wahrgenommen

Warum versteht die Kinder- und Jugendhilfe in Deutsch- land sich nicht inter- und transnational(er)? Diese Frage ist so pauschal sicherlich nicht korrekt gestellt. Doch warum steht sie trotzdem am Anfang dieses Impulses? Es soll der Eindruck thematisiert werden, dass in Diskus- sionen um die Kinder- und Jugendhilfe mit dem Fokus auf internationale Bezüge schnell von einem Desiderat gesprochen und dann folgerichtig eine weitere Internati- onalisierung gefordert wird. Es wird somit häufig davon ausgegangen, dass es in ers - ter Linie darum gehe, durch einen weiteren internatio- nalen Austausch die nationale Perspektive aufzubrechen und neue Reflexionshorizonte zu eröffnen. Keineswegs soll hier argumentiert werden, dass nicht ein gestei- gerter internationaler Austausch in unterschiedlichen Feldern der Kinder- und Jugendhilfe sehr gut wäre und auch die wissenschaftliche Sozialpädagogik könnte sich – dies ist unbenommen – stärker in internationalen For- schungszusammenhängen zur Kinder- und Jugendhilfe engagieren. Doch dieser Bedarf an Internationalisierung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass in der Kinder- und Jugendhilfe, auch wie sie heute ist, vieles Inter- und Transnationales steckt. Das bisherige Bild der Inter- nationalisierung ist stark durch die Jugendaustausch- programme geprägt, die insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhundert die internationale Jugend- arbeit in Europa zu einem festen Bestandteil der euro- päischen Verständigungs- und Friedensarbeit haben werden lassen. Hier ging es um eine zwingend notwen- dige Öffnung und Begegnungen, die freilich auch heute mehr als aktuell sind.

Doch dieses Bild ist insgesamt zu eng. Es ist zu eindi- mensional und war es vielleicht immer schon. „Beyond“ ist dieses Heft überschrieben. Übersetzt heißt dies: „Darüber hinaus“ werden die inter- und transnationalen Verflechtungen in der Entwicklung der unterschiedli - chen Felder der Kinder- und Jugendhilfe zu wenig wahr- genommen. Es ist zudem umgekehrt zu fragen, warum die historischen und aktuellen Erzählungen zur Kinder- und Jugendhilfe mitunter national geschlossen werden und diese Narrative dann einige überzeugen? Stefan Köngeter (2012) und Anja Schüler (2024) haben beispielsweise in unterschiedlichen Untersuchungen die transnationale Geschichte der Kinder- und Jugendhilfe in ihren Anfängen herausgearbeitet. Sie verweisen – wenn man so will – u. a. auf den internationalen Fachkräfteaus - tausch zu Beginn des 20. Jahrhunderts und wie Konzep- te transnational über den Atlantik übersetzt wurden. So sind in der Jugendwohlfahrtsarbeit engagierte Frauen aus der Frauenbewegung – ein bekanntes Beispiel ist Alix Westerkamp – nach Chicago gereist, um sich dort in den Settlements darüber auszutauschen, wie junge Menschen und Familien, die aus unterschiedlichen Län- dern eingereist sind, unterstützt werden können. Kön- geter und Schüler belegen, dass Kinder- und Jugendhilfe sich im 20. Jahrhundert in einem transnationalen Über- setzungsprozess von Ideen, Konzepten und Austausch entwickelt hat. Dies bezog sich übrigens auch auf die Jugendarbeit und, wie Anja Schüler (2024) zeigt, eben- falls auf andere Felder wie beispielsweise die Jugendhilfe im Strafverfahren, wie es heute genannt wird.

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Die Alltagswelten von jungen Menschen sind inter- und trans­ national verflochten

Wird zudem reflektiert, um mehr in die Gegenwart zu gehen, welche Bedeutung die UN-Kinderechtekonventi - on (UN-KRK) und UN-Konvention für die Rechte von Men - schen mit Behinderungen (UN-BRK) für die Entwicklung der Kinder- und Jugendhilfe in den vergangenen dreißig Jahren genommen haben, dann zeigt sich schnell, dass die Inter- und Transnationalität der Kinder- und Jugend- hilfe nicht nur auf die Jugendarbeit und den internatio- nalen Austausch begrenzt werden kann. Mit den Konventionen wurden die Rechte der jungen Menschen in der Kinder- und Jugendhilfe gestärkt und beispielsweise die Beteiligung junger Menschen in den Kommunen und in gerichtlichen Verfahren sowie die Entwicklung von Ombudsstellen und Selbstvertretungen junger Menschen rechtlich geradezu eingefordert. Weiterhin ist in den Hilfen zur Erziehung die neuere Diskussion um „Leaving Care“ vor allem auch internati- onalen Anregungen und transnationalen Kooperationen zu verdanken. Diese Liste könnte in die Geschichte und Gegenwart weiter ergänzt werden. Kinder- und Jugend- hilfe in Deutschland wird so letztlich nur verstehbar, wenn sie in ihren internationalen und transnationalen Vernetzungen wahrgenommen wird.

Dabei ist noch einmal mitbetrachtet, dass wir in einer Gesellschaft leben, die als postmigrantisch (vgl. Forou- tan 2021) bezeichnet wird oder in der von superdiversen (El-Mafaalani 2022) Kindheiten und Jugenden gespro- chen wird. Kindheiten und Jugenden und damit die All- tagswelten von jungen Menschen sind heute inter- und transnational verflochten. Es ist, wie es in der Diskussion um eine postmigrantische Gesellschaft heißt, nicht die Frage des Ob der Internationalität und Transnationalität, sondern wie transnational Kindheit und Jugend sozial gerecht ermöglicht wird und wie wir Mobilität gestalten und leben. So kann in diesem Zusammenhang auch von Postmobilität (Karic, Bartels & Schröer 2024) gesprochen werden, da die Alltagswelten vieler junger Menschen durch Mobilitäten charakterisiert sind und sich z. B. der internationale Jugendaustausch auch fragen muss, wie für wen welche internationalen Begegnungen organi- siert werden und wie sich dieses zu den inter- und trans- nationalen Mobilitätserfahrungen der jungen Menschen generell verhält. Warum versteht sich die Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland nicht inter- und transnational(er)? Die All - tagswelten der jungen Menschen und die Fachentwick- lung sind nur sehr begrenzt in einem nationalen Rah- men zu begreifen. Auch in der Fachkräfteentwicklung und -anerkennung brauchen wir eine transparentere Inter- und Transnationalität. Wer die Alltagswelten der jungen Menschen und die Fachentwicklung verstehen will, muss den nationalen Container öffnen und sich auf die inter- und transnationalen Verflechtungen einlassen. Auch die internationale Jugendarbeit reflektiert sich heu - te mit ihren Angeboten und Programmen in einer post- migrantischen Gesellschaft, in der Transnationalität und Internationalität in den Alltag der jungen Menschen ein- geschrieben sind. Dies bedeutet nicht sozialräumliche, regionale, nationale Bezüge herabzusetzen, sondern diese in ihren Verflechtungen und translokalen Bezie - hungen zu begreifen. Die Frage bleibt, wer ein Interesse hat, die nationale Perspektive so häufig zu schließen und warum.

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Literatur El-Mafaalani, Aladin (2022): Das Integrationsparadox: Wandlungsdynamiken, Konfliktlinien und Krisen­ erscheinungen in der superdiversen Klassengesellschaft. Leviathan 50 (39), S. 139–157. Foroutan, Naika (2021): Die postmigrantische Gesell- schaft. Ein Versprechen der pluralen Demokratie. 2., unveränderte Auflage. Bielefeld: Transcript Verlag. Karic, Senka/Bartels, Agnetha & Schröer, Wolfgang (2024): Internationale Kinder- und Jugendhilfe. Eine postmobile Perspektive. Hildesheim: Universitäts- verlag (open access). DOI: 10.18442/268 Köngeter, S. (2009): Der methodologische Nationalismus der Sozialen Arbeit in Deutschland. In: Zeitschrift für Sozialpädagogik 7, S. 340–359.

Schüler, Anja (2024): Jugendgerichtshöfe – (auch) eine Frauensache? Das Vorbild Chicago. In: Zeitschrift für Jugendkriminalrecht und Jugendhilfe 35, S. 18–23.

Kontakt Prof. Dr. Wolfgang Schröer Universität Hildesheim Institut für Sozial- und Organisationspädagogik

Mail: schroeer@uni-hildesheim.de

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Türkei Mit kaum einem anderen Land außerhalb der Europäischen Union hat Deutschland eine so lang andauernde gemeinsame Geschichte wie mit der Türkei. Die Einwanderung seit den frühen 1960er Jahren hat dem eine weitere Dimension hinzugefügt. Wer heute die deutsche Gesellschaft in ihrer Gesamtheit verstehen will, muss auch etwas über die Türkei wissen. Das gilt für die Jugendarbeit in besonderer Weise. Zugleich stellen sich Fach­ kräften in beiden Ländern dieselben Fragen – zum Beispiel was die Mediennutzung junger Menschen angeht, ihre psychische Gesundheit während und nach der Pandemie oder wie junge Geflüchtete Teil der jeweiligen Gesellschaft werden können. Im deutsch-türkischen Jugend- und Fachkräfteaustausch gibt es also etwas zu besprechen und zu erleben. Und auch, wenn das aus unterschiedlichen Gründen nicht immer eine einfache Partner­ schaft ist, so ist es doch eine außergewöhnlich gewinnbringende. IM FOKUS

IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Im Austausch mit der Türkei

Christina Gerlach

Langjährige jugendpolitische Zusammenarbeit Bereits seit 1994 führt IJAB im Rahmen der „Vereinbarung zur jugendpolitischen Zusammenarbeit“ zwischen dem Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und dem türkischen Generaldirektorat für Jugend und Sport gemeinsame Aktivitäten mit Partnern aus der Türkei durch. Die Zusammenarbeit ist seither von unterschiedlichen fachlichen Schwerpunkten, strukturellen Entwicklungen und politischen Herausforderungen geprägt gewesen. Die Bedeutung der Türkei als ein wichtiges Partnerland im jugendpolitischen Austausch bleibt hoch.

Am 30. Oktober 1961 unterzeichneten die Bundesrepub- lik Deutschland und die Türkei ein Abkommen zur Anwer- bung von Fachkräften, mit dem die zeitlich begrenzte Entsendung von Arbeitskräften aus der Türkei nach Deutschland geregelt wurde. Viele dieser Menschen blie- ben in Deutschland, weitere Familienmitglieder folgten. Heute leben ca. 3 Millionen türkeistämmige Menschen in Deutschland; sie bilden die größte unter den Bevöl- kerungsgruppen mit Migrationshintergrund. Für die Trä- ger der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland bedeutet das, dass die Beschäftigung mit der Türkei nicht nur im Rahmen von bilateralen Fachkräfteaustauschen, Gre- mien und in europäischen Projektzusammenhängen erfolgt, sondern auch im Rahmen ihrer Arbeit mit und für junge Menschen in Deutschland. Diese besondere Relevanz der Türkei für die Kinder- und Jugendhilfe ist unabhängig von politischen Entwicklungen und Rah-

Internationaler Jugend- und Fachkräfteaustausch lebt von guten Partnerschaften und der Möglichkeit zu einem bereichernden fachlichen Austausch. Er hängt allerdings auch von politischen und gesellschaftlichen Rahmenbe- dingungen und Schwerpunkten ab. Die Zusammenarbeit mit der Türkei hat in den letzten 30 Jahren Veränderun- gen erlebt, die nicht nur die jugendpolitische Ebene der Zusammenarbeit betreffen, sondern auch die Partner - schaften, die deutsche und türkische Träger auf lokaler Ebene seit vielen Jahren pflegen. Dennoch bleibt die deutsch-türkische Zusammenarbeit im Jugendbereich eine Partnerschaft, die anders mit dem Alltag junger Menschen und Fachkräften der Jugendarbeit verbunden ist als viele andere.

menbedingungen gegeben. „IJAB setzt seit Beginn der

jugendpolitischen Zusammenarbeit Aktivitäten im Rahmen des deutsch- türkischen Jugend- und Fachkräfte­ austauschs um.“

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Seit 30 Jahren ist IJAB in der jugendpolitischen Zusammenarbeit mit der Türkei aktiv

wollen. Die Angebote für die Träger in Deutschland und der Türkei berücksichtigen aber auch Veränderungen der Strukturen bzw. der Förderlandschaft: Seit 2018 füh- ren IJAB, JUGEND für Europa als Nationalagentur für das Programm Erasmus+ Jugend und die Deutsch-Türkische Jugendbrücke erfolgreich ein gemeinsames Veranstal- tungsformat durch, das Aktiven und Interessierten aus der Türkei und Deutschland eine zusätzliche Plattform für den fachlichen Austausch bietet. Der deutsch-türkische Jugend- und Fachkräfteaustausch war und ist von unterschiedlichen Traditionen, Struktu- ren und Rahmenbedingungen in Deutschland und der Türkei geprägt. Gleichzeitig prägt die historisch gewach- sene gesellschaftliche und politische Realität in Deutsch- land die Verflechtungen zwischen beiden Ländern und unterstreicht die Notwendigkeit, den Dialog zwischen deutschen und türkischen Jugendlichen sowie Fach­ kräften fortzuführen.

Die Zusammenarbeit mit der Türkei wird jugendpolitisch flankiert von einer 1994 geschlossenen „Vereinbarung zur jugendpolitischen Zusammenarbeit“, die zunächst von einem Sonderprogramm im Kinder- und Jugendplan des Bundes unterstützt wurde. Heute stehen für den Austausch mit der Türkei verschiedene Fördermöglich- keiten zur Verfügung, die die Partnerschaften seit Beginn der Zusammenarbeit auf festeren Boden stellen sollen: Neben dem Kinder- und Jugendplan des Bundes fördert seit ihrer Gründung 2012 auch die Deutsch-Türkische Jugendbrücke Austausche zwischen Deutschland und der Türkei. Der besonderen Bedeutung der Türkei für Europa trägt auch ihre Beteiligung am EU-Programm Erasmus + Jugend Rechnung, mit der seit den 2000er Jahren eine Vielzahl von deutsch-türkischen Partnerschaften unter- stützt und Strukturen ausgebaut werden konnten. IJAB setzt seit Beginn der jugendpolitischen Zusammen- arbeit Aktivitäten im Rahmen des deutsch-türkischen Jugend- und Fachkräfteaustauschs um. Dabei war und ist die Zusammenarbeit geprägt von wechselnden The- men und Formaten, aber auch von den politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen in der Türkei. Neben grundsätzlichen Themen wie Ehrenamt und freiwilligem Engagement in der Jugendarbeit werden zunehmend auch aktuelle Themen wie der Einsatz neuer Medien in der Jugendarbeit oder die psychische Gesundheit junger Menschen im Rahmen der bilateralen Fachprogramme behandelt. Daneben sind Handbücher wie die „Arbeitshil- fe für den deutsch-türkischen Jugendaustausch“ entstan- den, die Grundlagen für die Zusammenarbeit vermitteln

Kontakt Christina Gerlach Leiterin des Geschäftsbereichs Internationale jugendpolitische Zusammenarbeit / IJAB

Mail: gerlach@ijab.de

IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Mehr als nur ein Auslandsjahr

Tillie Kluthe

Mit „weltwärts“ nach Deutschland und zurück nach Mersin

Die Zukunftsaussichten sind nicht für alle jungen Menschen in der Türkei rosig. Ein leistungs­ orientiertes Bildungssystem, Jugendarbeitslosigkeit und enge Familienbindungen können sie an einer selbstbestimmten Entwicklung hindern. Eine Auslandserfahrung kann dabei neue Horizonte erschließen. In Mersin macht das der Verein „AB Eğitim, Kültür ve İnsan Hakları Çalışmaları Derneği“ (AB-DER) möglich.

Es ist toll zu erleben, mit welcher erwartungsvollen Auf- regung sich junge Leute auf das Auslandsjahr vorberei- ten und sich wechselseitig unterstützen, sowohl im digi- talen Austausch als auch lokal vor Ort. Wir befinden uns in der Provinzhauptstadt Mersin, eine Millionenstadt am östlichen Mittelmeer mit einem der größten Frachthä- fen der Türkei. Die lebhafte internationale Handels- und Universitätsstadt scheint auf den ersten Blick zahlreiche Arbeitsmöglichkeiten zu bieten, in der Industrie und im Bereich der Dienstleistungen, in der Landwirtschaft und in der Fischerei. Doch gerade unter den jungen Menschen ist die Arbeitslosigkeit besonders hoch. Ende 2023 lag der Anteil der 18- bis 24-Jährigen an den in ängstlich; aber gleichzeitig sehr dankbar für diese Möglichkeit.” (Elin, 25 Jahre) „Ich bin sehr aufgeregt. Durch das Freiwilligenjahr werde ich zum ersten Mal weit weg von meiner Familie in einem anderen Land leben. Natürlich bin ich auch ein bisschen

Mersin gemeldeten Arbeitslosen bei 21,5 %. Die Mersi - ner Arbeitsagentur İŞKUR betont in ihrem Jahresbericht diese Problematik und die dringende Notwendigkeit von Programmen zur Integration junger Menschen in den Arbeitsmarkt. Generell steht die Förderung junger Menschen zuneh- mend auf der Agenda. So sind zahlreiche Jugendzentren, Sportanlagen und Kurse entstanden, die sich sowohl im Bereich Freizeit als auch in der beruflichen Weiterbil - dung speziell an Kinder und Jugendliche richten. Die viel- fältigen Angebote werden jedoch nicht immer genutzt. Einblick in das Leben junger Menschen Das Bildungssystem der Türkei ist sehr lern- und leis- tungsorientiert und der Wettbewerb zwingt junge Leute oftmals dazu, zusätzlich zum normalen Schulunterricht, Kurse an privaten Lernzentren zu belegen – auch zur Vorbereitung auf die zentrale Universitätsaufnahmeprü- fung. Neben dem Studium bleibt wenig Zeit, sich in einem der Studierendenclubs an der Uni zu engagieren, denn viele Studierende arbeiten aufgrund ihrer finanziellen Lage neben dem Studium oder stehen unter dem Druck von Leistungsstipendien. Ökonomisch und traditionell ist die Bindung an die Familie oftmals sehr stark, so dass

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Die Zukunft in die eigene Hand nehmen Trotz der Besorgnis erleben wir die Familien zumeist als unterstützend für diesen Schritt, den wir als Verein „AB-DER“ durch unser freiwilliges Engagement intensiv begleiten. Der Verein „AB Eğitim, Kültür ve İnsan Hakları Çalışmaları Derneği“ wurde 2014 in Mersin von jungen Menschen mit ERASMUS+-Erfahrungen gegründet, die sich dadurch angeregt fühlten, lokale und internationa- le Projekte und Aktivitäten im Bereich Bildung, Kultur und Menschenrechte durchzuführen. Die Pandemie-Situation und damit verbundenen Maß- nahmen haben in der Stadt Mersin viele Angebote im kulturellen und sozialen Bereich zum Erliegen gebracht. Eine Zeit lang beschränkten sich die Aktivitäten unse- res Vereins lediglich auf den digitalen Austausch. Mit dem aktuellen Projekt des weltwärts-Freiwilligenjahres in Deutschland, angeregt und begleitet durch Maren Schwerger, ehemalige Dozentin an der Universität Mer- sin, sind wir nun zu einem der Ursprünge unseres Ver- eins zurückgekehrt und unterstützen damit junge Men- schen ganz praktisch und aktiv in ihrer persönlichen Weiterentwicklung.

diese in der Lebensgestaltung junger Menschen ebenfalls eine wichtige Rolle spielt. Daher wohnen junge Erwach- sene nach dem Arbeits- bzw. Studienbeginn meist noch im Elternhaus. Auch während der Pandemie und der damit verbundenen temporären Umstellung auf digitale Bildung zu Hause fehlten wichtige Bezugspunkte außer- halb des Familienverbundes. Die Fürsorge und Ängste der Familienangehörigen sind dabei für junge Menschen eher hinderlich in der individuellen Entfaltung und der Entwicklung ihrer Selbstständigkeit. Das gemeinsam erlebte Trauma der Erdbeben im Februar 2023 hat die- se innerfamiliären Beziehungen zusätzlich verstärkt. So sind in Mersin zwar keine Gebäude eingestürzt, die Erd- beben und Nachbeben waren jedoch auch hier deutlich spürbar; zudem sind rund 400.000 Menschen aus den betroffenen Gebieten nach Mersin geflüchtet. Monate - lang befand sich die Stadt in einem Ausnahmezustand. Viele junge Menschen haben sich nach der Katastrophe langfristig in Mersin niedergelassen – auf der Suche nach einer neuen Lebensperspektive. „Die Bewerbung auf einen Platz für ein freiwilliges weltwärts-Jahr in Deutschland stellt für viele junge Menschen einen großen Schritt in ihrem Leben dar und erlaubt ihnen, die Gestaltung ihrer Zukunft in die eigene Hand zu nehmen.“

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IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Der Austausch erfolgt fortlaufend und kann auf diesem Weg über die „Freiwilligen-Generationen” hinweg Wis- sen und Erfahrungen weiterreichen, da sich die jungen Menschen nach ihrer Rückkehr an der Begleitung und der Motivation nachfolgender Freiwilliger beteiligen und sich u. a. im Verein AB-DER engagieren. Der grundsätzliche Gedanke des weltwärts-Programms, nämlich die Erfahrungen während des Auslandsjah- res in Deutschland nach der Rückkehr in das weitere Leben in der Türkei einzubringen, zeigt sich auf ver- schiedenen Ebenen als gelungen: Eigene Sprachkennt- nisse können erweitert werden, in den sozialen und kulturellen Projekten und Weiterbildungsseminaren im Rahmen des weltwärts-Dienstes in Deutschland werden zudem neue Fähigkeiten erlernt und prakti- sche Erfahrungen zurück nach Mersin mitgebracht. Der Lernprozess, angefangen von der Bewerbung und Vor- bereitung, während der begleiteten Durchführung des Freiwilligendienstes in Deutschland, bis hin zum weite- ren Engagement in der Türkei im Anschluss an das frei- willige Jahr stellt für die jungen Erwachsenen oftmals einen bedeutenden Anstoß in ihrer persönlichen Ent- wicklung dar. Das „weltwärts“-Jahr erhöht ihre Qualifi - kationen für den Arbeitsmarkt in der Türkei und kann ein wichtiges Sprungbrett für den weiteren beruflichen Werdegang sein.

In Kooperation mit dem sfd Kassel e. V. entsenden wir seit März 2022 fortlaufend junge Menschen aus der Tür- kei im Rahmen des weltwärts-Programms für ein freiwil- liges Jahr nach Deutschland. Dieses Projekt ist dabei weit umfangreicher als eine einfache „Entsendung” ins Aus- land, denn bereits im mehrstufigen Auswahlverfahren üben und entwickeln die jungen Menschen ihre Bewer- bungsfähigkeit durch die Erstellung von Lebensläufen und Motivationsbriefen, aber auch durch die Auswahl- gespräche via Zoom und die persönliche Vorstellung in der Botschaft oder im Konsulat der Bundesrepublik Deutschland. Anstoß zur persönlichen Entwicklung Mit Unterstützung der freiwillig Engagierten und Mit- arbeitenden beider Vereine sowie im Austausch inner- halb der Gruppe der Bewerber*innen lernen die jungen Menschen ihren eigenen Aufenthalt vorzubereiten und ihren Visumsantrag zu organisieren. Dabei üben sie sich in Teamarbeit, digitale Kommunikationsmittel wie WhatsApp, E-Mail und Zoom spielen auf ihrem Bewer- bungsweg eine wichtige Rolle. Die fortlaufende Vernet- zung garantiert einen aktuellen Informationsstand und dient der gegenseitigen Unterstützung. Die parallele, gemeinsame Vorbereitung auf den Aufenthalt fördert die Solidarität unter den jungen Menschen und stellt somit für alle Beteiligten einen kontinuierlichen Lern- prozess dar.

Kontakt Tillie Kluthe AB Eğitim, Kültür ve İnsan Hakları Çalışmaları Derneği Web: https://www.facebook.com/abdernek Web: https://abdermersin.wordpress.com/ Mail: abdermersin@gmail.com

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IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

INTERVIEW

Die Wunden heilen

Eine deutsch-türkische Partnerschaft nach dem Erdbeben

Saliha Biçer arbeitet im Jugendhaus Nordstraße in Bonn, ihr Kollege Murat Sözeyatarlar im Jugend- zentrum von Kahramanmaraş in der Türkei. Die beiden Einrichtung verbindet seit 2017 eine Part - nerschaft. Am 6. Februar 2023 bebte in der Türkei die Erde, zehntausende Menschen kamen ums Leben. Das Epizentrum lag unweit von Kahramanmaraş. Die Unterstützung aus Bonn kam prompt und bald soll auch der Jugendaustausch wieder möglich sein.

Anderen zu helfen, macht stark IJAB: Sie kennen sich also schon eine Weile. Was waren ihre Gedanken unmittelbar nach dem Beben? Murat Sözeyatarlar: In den ersten Tagen konnten wir überhaupt nicht richtig denken. Welche Gebäude sind betroffen? Wie geht es Freunden und Verwandten? Die Telefonverbindungen waren unterbrochen und wir wa- ren von der Außenwelt abgeschnitten. Das hat uns in den ersten Tagen beschäftigt. Die Regierung hat dann schnell reagiert und Studentenwohnheime auf dem Uni- Campus, die unbeschädigt geblieben waren, zur Verfü- gung gestellt. Dann haben wir angefangen andere zu unterstützen, oft 24 Stunden rund um die Uhr. Manche von uns haben vier Monate lang ihre Familien nicht gese- hen. Wir haben Lebensmittel verteilt und Zelte vermittelt. Aber anderen zu helfen, macht auch stark. Saliha Biçer: Ich habe sofort versucht Kontakt aufzu­ nehmen und habe Murat schließlich telefonisch erreicht. Der Fastenmonat Ramadan stand bevor und wir haben Lebensmittel, Sachspenden und Geldspenden gesam- melt und sie nach Kahramanmaraş geschickt. Murat Sözeyatarlar: Das hat es uns ermöglicht Mahl- zeiten zum Fastenbrechen für 3.000 Jugendliche zuzu- bereiten und zu verteilen. Das war ein großes Ereignis, das wir auch als Gelegenheit dafür genutzt haben, dass sich die Jugendlichen untereinander kennenlernen. Wir hatten damals viele Menschen in der Stadt, die aus Orten gekommen waren, wo die Situation noch

IJAB: Herr Sözeyatarlar, wie ist die Situation in ihrer Heimatstadt Kahramanmaraş mehr als ein Jahr nach dem Erdbeben? Murat Sözeyatarlar: Zurzeit sind etwa 70 % der Gebäude im Stadtzentrum wiederhergestellt, das heißt 15.980 Woh - nungen sind fertiggestellt und den Eigentümern vom tür- kischen Präsidenten übergeben worden. 95 % der Men - schen, die die Stadt verlassen hatten, sind zurückgekehrt. Wir bereiten uns auf die Normalisierung der Situation vor. Unsere Angebote für junge Menschen finden wieder statt, die Wunden heilen. Obwohl unser Jugendzentrum sehr nahe am Epizentrum des Bebens lag, hat es wenig abbe- kommen und diente daher als Notunterkunft. Jetzt kön - nen wir unsere Räume wieder nutzen. Aber: 15 oder 16 unserer Mitarbeiter*innen sind beim Beben ums Leben gekommen und die Reparaturen halten weiter an. IJAB: Wie sind das Jugendhaus Nordstraße in Bonn und das Jugendzentrum in Kahramanmaraş miteinan - der verbunden? Woher kennen Sie sich? Saliha Biçer: 2017 sind wir auf einer Partnerbörse von IJAB auf das Jugendzentrum in Kahramanmaraş auf - merksam geworden. 2018 sind wir zum ersten Mal mit 14 Jugendlichen und zwei Betreuer*innen dorthin ge- fahren. Danach ist uns Corona in die Quere gekommen und der Gegenbesuch fand erst 2022 statt. 2023 kam das Erdbeben und machte erneut Austausche unmög- lich. Aber jetzt wollen wir wieder anfangen. Im Herbst wird eine Gruppe aus Bonn in die Türkei reisen und auch eine Gruppe aus der Türkei bereitet sich darauf vor, nach Bonn zu kommen.

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schlimmer war. Kinder und Jugendliche brauchen Aktionen, damit ihr Leben nor- mal weitergeht. Saliha Biçer: Wir haben versucht, unseren Partner*innen Mut zu machen, haben im- mer wieder nachgefragt, welche Hilfe sie brauchen und wenn es nur jemand ist, mit dem sie reden können. Murat Sözeyatarlar: Die materielle Unter- stützung war natürlich wichtig, Lebensmittel und Decken zum Beispiel. Aber es war für uns auch wichtig, dass ihr da seid, dass ihr an uns denkt und wir nicht vergessen sind. Die Situation normalisiert sich

IJAB: Wie wird es jetzt weitergehen?

Murat Sözeyatarlar: Die Gebäude werden weiter wie- derhergestellt und wir haben jetzt auch strengere Bau- vorschriften. Die Wohnheime auf dem Campus werden im Juni an die Universität zurückgegeben. Ich denke, dass sich im September die Situation normalisiert hat. Dann ist auch Jugendaustausch wieder vorstellbar. Saliha Biçer: Die Jugendlichen aus dem Jugendhäu- sern Nordstraße und Dransdorf, die 2022 am Aus - tausch teilgenommen haben, haben nach dem Beben sofort Kontakt zu ihren Freundinnen und Freunden in Kahramanmaraş aufgenommen. Sie haben Informatio - nen weitergegeben und ausgetauscht. Viele Jugendliche und auch die Eltern haben gespendet. Das Erdbeben in Kahramanmaraş ist nach wie vor ein Thema in den Häusern, damit auch verbunden der Austausch in den

Herbstferien. Die Jugendlichen fragen mich, wann wie- der ein Austausch stattfindet.

Murat Sözeyatarlar: Wir können das Erdbeben natür- lich nicht vergessen, aber es darf auch nicht unser Le- ben bestimmen. Vielleicht können wir ja einen Jugend- austausch zum Erdbeben und seinen Folgen machen. Das könnte helfen, das Erlebte zu verarbeiten.

Kontakt Saliha Biçer Jugendhaus Nordstraße

Mail: jugendamt@bonn.de

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IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Deutsch-türkischer Austausch

Georg Pirker

Die Perspektive der politischen Bildung Es gibt viele historisch gewachsene aber auch tagesaktuelle Verbindungen, die eine Folie zur Zusammenarbeit im deutsch-türkischen Kontext bieten und die ein wechselseitiges Interesse an einer Vertiefung auch in der Jugendbildungs- und Begegnungsarbeit geradezu fordern. Die engen wirtschaftlichen Verbindungen, eine lange und verbindende gemeinsame Geschichte, vielfältige kulturelle und familiäre Brücken liegen schnell im Fokus. Nicht zuletzt die immer wieder betonte große Gruppe junger Menschen in Deutschland, die Wurzeln in der Türkei haben und auf die im Austausch ein besonderes Augenmerk gelegt wird.

in Haft, im Exil bzw. unter hohem Verfolgungs- und Überwachungsdruck, politisierte Konflikte innerhalb der verschiedenen Bevölkerungsgruppen der Türkei und in den Nachbarstaaten, starke innergesellschaft - liche Interessengegensätze, seit den Kommunalwah- len auch eine politische Spaltung zwischen einer star- ken Opposition auf der kommunalen Ebene und der AKP in Regierungsverantwortung auf der staatlichen Ebene. Rein rechtlich auch die Lage der Frauen: Mit dem Austritt aus der Istanbul-Konvention 2021, hat sich die Lage vor allem von Frauen und Mädchen ver- schlechtert, dazu gehört eine Einschränkung des zivil- gesellschaftlichen Einsatzes und der Bildungsarbeit. Selbstverständlich hat dies alles zur Folge, dass die Ebenen, auf denen sich Zivilgesellschaft und Jugendor- ganisationen konstituieren können, und die Felder, auf denen sich die Arbeit junger Menschen und mit jungen Menschen ausgestaltet, sich zum Teil sehr deutlich von den Bedingungen und Interessenlagen an Austausche von Jugendarbeit in Deutschland unterscheiden. Nur wenige junge Menschen – nur ca. 10 % der Bevölke - rung insgesamt – in der Türkei haben einen Reisepass und es ist zu bedenken, dass die Ausstellung des Doku-

Die Türkei hat außen- und sicherheitspolitisch für Euro- pa eine besondere Bedeutung, das wird am EU-Türkei- Abkommen von 2016 deutlich, aber auch an der Rolle der Türkei im Kontext des Krieges in der Ukraine und anlässlich des Nato-Beitritts von Finnland und Schwe - den. Tagespolitisch spielt die Politik der AKP und nicht zuletzt die Ausgründung der DAVA 1 zur Europawahl in Deutschland eine Rolle, wie an zahlreichen Statements deutscher Politiker*innen immer wieder deutlich wird. Äußerungen türkischstämmiger deutscher Politiker*innen werden in der Türkei aufmerksam verfolgt, die türkische Politik wendet sich regelmäßig an die deutsche Öffent - lichkeit und verklagt bspw. Satiriker*innen. Viele Themen also, denen eine hohe gesellschaftspolitische Bedeutung zukommt und die damit auch Themen politischer Bildung und internationaler Begegnung sind. Im internationalen Austausch und Begegnen sollten wir uns jedoch auch der Bedingungen vergewissern, von denen das Aufwachsen junger Menschen in der Türkei geprägt ist und die sich zum Teil stark von den Gege- benheiten junger Menschen in Deutschland unterschei- den: die andauernde hohe Inflation, Politiker*innen, Journalist*innen und zivilgesellschaftliche Akteur*innen

1 Demokratische Allianz für Vielfalt und Aufbruch

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Teilnehmende des deutsch-türkischen Fachkräfteaustausch 2023 in Köln

Austausch mit Gleichaltrigen aus der Türkei bietet einen fruchtbaren Rahmen für politische Bildungsangebote: Ohne junge Menschen zu überwältigen, können The- men wie Demokratie, Migration, Menschenfeindlichkeit und Nationalismus aber auch Fragen der Teilhabe und des gleichberechtigten Zugangs in entsprechenden Bil- dungsangeboten aufgegriffen werden. Die Vielzahl der kulturellen und sozialen Bezüge beider Gesellschaften ermöglicht es Jugendlichen, politische Situationen aus anderen Blickwinkeln zu betrachten und so ihre eigenen Interessen zu analysieren. Vor dem Hintergrund der vielen Beschränkungen für zivilgesellschaftliche Arbeit im türkischen Kontext gewinnt die Alltagserfahrung an Brisanz. Zugleich bietet dies ein Feld für die deutschen Träger, wie Themen und Fragen politischer Bildung unter Druck und Gängelung bearbeitet, wie zivilgesellschaftliche Bildungsangebote aufrechterhalten werden können. Die Ergebnisse der Kommunalwahlen in der Türkei, die die Opposition in vielen Ortschaften gestärkt haben, bieten zudem ein neues Fenster mit neuen Aktionsradien für zivilgesell- schaftliche Bildungsarbeit. Dies sollte unbedingt genutzt und jugendpolitisch aufgegriffen werden.

ments recht teuer ist. Die Möglichkeit an Austauschen teilzunehmen, ist also alles andere als selbstverständlich.

Oftmals wird die Brückenfunktion Jugendlicher mit fami- lären Wurzeln in der Türkei im Kontext von Austauschen betont. Hier ist zu beachten, dass das an sich richtige Anliegen im Kontext des Austauschs nicht zu einer Dimension der Ungleichheitserfahrung werden darf: junge Menschen mit deutschem und ohne türkischen Pass, junge Menschen mit und ohne Reisemöglichkeit. Daraus entstehen Konsequenzen für die Zusammenar- beit und die Gestaltung von Begegnungsarbeit, insbe- sondere wenn man versucht, daraus ein Bild über die wechselseitigen Anliegen an Begegnung und die tat- sächlichen realisierbaren Möglichkeiten zu entwickeln: Die Inklusion breiter Zielgruppen – vor allem finanziell schlechter gestellter junger Menschen – steht konträr zur Möglichkeit türkischer Jugendlicher, sich eine Teil- nahme formal überhaupt leisten zu können. Akteure wie die Deutsch-Türkische Jugendbrücke haben verschiedene thematische Korridore definiert, die rela - tiv klar gemeinsame gesellschaftspolitische Bearbei- tungsfelder für den Jugendaustausch skizzieren. Sie beschreiben gut die Herausforderungen, vor denen junge Menschen in den aktuellen Transformationen in beiden Ländern stehen, als Gestaltungsfelder politischer Bildung: Inklusion und Vielfalt, Teilhabe und zivilgesell- schaftliches Engagement, ökologische Nachhaltigkeit, digitaler Wandel. Vier Themen, in denen Mitsprache und politische Teilhabe junger Menschen von zentraler Bedeutung für unsere Gemeinwesen sind.

Kontakt Georg Pirker Referent für internationale Aufgaben AdB, Arbeitskreis deutscher Bildungsstätten e. V.

Mail: pirker@adb.de

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IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Mitbestimmung vor Ort

Melanie Liedtke

„Dass aus unseren Projekten demokratische Institutionen entstehen, darauf sind wir einfach irrsinnig stolz“, betont Daniel Grütjen, Geschäftsführer der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke. Seit mehreren Jahren fördert diese den Austausch kommunal engagierter Jugendlicher. Mit besonderem Erfolg: Nach Begegnungen mit Gleichaltrigen in Deutschland gründeten Jugendliche in der westtürkischen Stadt Çanakkale und der Istanbuler Gemeinde Ataşehir Jugendparlamente.

Kommunale Projekte öffnen dabei häufig die Tür für Zusammenarbeit auf unterschiedlichen Ebenen. „Viele Schulpartnerschaften oder Kooperationen von Jugend- einrichtungen sind auf Städtepartnerschaften zurückzu- führen“, hebt Rasche hervor. „Umgekehrt beobachten wir, dass Projekte mit Jugendlichen dazu führen können, dass sich Expert*innen aus Stadtverwaltungen austau- schen, beispielsweise Mitarbeitende aus Umweltämtern, wenn Jugendliche Projekte zu ökologischer Nachhaltig - keit bearbeiten.“ Die deutsch-türkischen Beziehungen sind seit Gründung der Jugendbrücke komplizierter geworden. Gerade in diplomatischen Krisenzeiten kommt dem Jugendaus- tausch eine besondere Bedeutung zu. „Dabei geht es um mehr als Völkerverständigung“, betont Grütjen. „Es geht auch darum, Jugendliche in Deutschland fit für eine Welt zu machen, die nur in Teilen unseren normativen Vorstellungen entspricht.

Vor zehn Jahren wurde die Jugendbrücke mit dem Ziel gegründet, den deutsch-türkischen Schul- und Jugend- austausch zu stärken. Während der Corona-Pandemie legte sie einen Schwerpunkt auf kommunale Jugendbe- gegnungen. Zunächst in Online-Workshops und später in Austauschprojekten vor Ort brachte sie Jugendliche über lokale Themen in den Dialog: Umweltschutz, Ver- kehr, öffentlicher Raum, und als Oberthema die Mitbe - stimmung vor Ort. „Gestalte Deine Stadt!“ ist das aktuelle Förderprogramm der Jugendbrücke zur Stärkung kommunaler Jugend­ beteiligung durch Austausch. Kommunen oder kom- munale Träger aus beiden Ländern können sich mit gemeinsamen Projektideen auf jährliche Ausschreibun- gen bewerben. Die Jugendbrücke wählt zunächst die besten Ideen aus, dann konzipiert und organisiert sie die Begegnungsprojekte gemeinsam mit den Antragstel- lenden. Alle Projekte umfassen eine Hin- und Rückbe- gegnung vor Ort. Die Jugendbrücke stellt aus Mitteln von Erasmus+ die Reise- und Unterbringungskosten. „Politisch und gesellschaftlich aktive Jugendliche besu- chen sich gegenseitig in ihren Heimatstädten“, erklärt der zuständige Projektmanager Tino Rasche. „Sie neh- men an Sitzungen kommunaler Gremien und von Jugendparlamenten teil und diskutieren mit politischen Entscheider*innen. So erleben sie, wie Jugendbeteili- gung vor Ort gelebt wird und entwickeln in gemeinsamen Workshops Ansätze, um ihre Städte noch aktiver mit­ zugestalten.“

Jugendpartizipation zu stärken ist ein wichtiges Anliegen der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke

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beyond 1|2024

Die Deutsch-Türkische Jugendbrücke ist die zentrale Fach- und Förderstelle des Schul- und Jugendaus- tauschs zwischen Deutschland und der Türkei. Sie för- dert Austauschprojekte Dritter – beispielsweise von Schulen, Vereinen und Kommunen – und erkundet in eigenen Modellprojekten neue Wege der Interna- tionalen Jugendarbeit. Sie berät, vernetzt und qualifi - ziert Lehrkräfte und Jugendarbeiter*innen aus beiden Ländern und setzt sich für eine erhöhte Sichtbarkeit des deutsch-türkischen Jugendaustauschs unter Entscheider*innen ein. Förderprogramme für Jugend- und Fachkräfte­ begegnungen › KJP Matchin g Fund PLUS: Unterstützung für Träger der Jugendhilfe mit zusätzlichen Pauschalen für Teilnehme aus der Türkei › Gestalte Deine Stadt!: Projektmittel für Reise- und Unterbringungskosten in Projekte mit dem Ziel, junge Menschen aktiv in kommunale Entscheidungspro- zesse einzubeziehen › Erdbebenhilfe: Kofinanzierung für Begegnungs - projekte – Förderung von Austauschprojekten mit betroffenen jungen Menschen oder Fachkräften sowie Vorbereitungstreffen › Kleine Proje ktförderung: Für kleinere deutsch- türkische Austauschprojekte, unkomplizierte und flexible Förderung mit bis zu 5.000 Euro

Der Fokus auf kommunaler Mitbestimmung eignet sich besonders, den Horizont von Jugendlichen zu erweitern. Durch Austausch und Begegnung lernen sie, Perspek- tiven zu wechseln, Unterschiede anzuerkennen – und dennoch gemeinsame Lösungen zu suchen.“ Am 31. März 2024 fanden in der Türkei Kommunal- wahlen statt und in vielen Kommunen gewannen die Kandidat*innen der Opposition. Ob das Ergebnis zu einem stärkeren Interesse an dem Programm „Gestalte Deine Stadt!“ führt, bleibt laut Grütjen abzuwarten. „Wir sind politisch unabhängig und überparteilich. Was für uns zählt ist nicht das Parteibuch der Antragstellenden, sondern die Qualität der Anträge und das glaubhafte Interesse, Jugendpartizipation zu stärken“, so Grütjen. „Wir würden uns natürlich freuen, wenn in Zukunft noch mehr Kommunen die Potenziale deutsch-türkischen Austauschs für ihre Jugendarbeit entdecken.“

Kontakt Melanie Liedtke Kommunikationsmanagerin Deutsch-Türkische Jugendbrücke gGmbH

Mail: Liedtke@jugendbruecke.de

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IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

INTERVIEW

Selbst unter Druck überlebt die türkische Zivilgesellschaft Einblicke von Laden Yurttagüler Die Soziologin Laden Yurttagüler forscht seit Jahren zur türkischen Zivilgesellschaft und zur Wirkung des Jugendaustauschs auf junge Menschen. Welche Spielräume hat die Zivilgesellschaft und welche Auswirkungen haben die Präsidentschafts- und Kommunalwahlen? Die Redaktion von beyond hat nachgefragt.

IJAB: Frau Yurttagüler, wie steht es um die türkische Zivilgesellschaft?

Während einige derjenigen, die sogenannte liberale Themen bearbeitet haben, also Menschenrechte, Frau- enrechte oder LGBTQ, sich zurückgezogen haben, bean- spruchen nun andere, dienstleistungsorientierte Orga- nisationen das Vakuum, das sie hinterlassen haben und füllen es mit regierungsfreundlichen Werten. Gerade für Jugendorganisationen sind die politische Atmosphä- re und die bürokratische Kontrolle von Organisationen ein Problem. Seit drei bis vier Jahren haben sie auch zunehmende wirtschaftliche Schwierigkeiten. Die Wirt- schaftskrise führt zu weniger öffentlicher und privater Förderung und individuellen Spenden. Dazu kommen Probleme mit dem Rechtsrahmen zivilgesellschaftlicher Organisationen. Das Innenministerium kann die Buch- haltung prüfen, wann immer es will. Das ist nicht gerade angenehm und zudem aufwändig. Eine zivilgesellschaft- liche Organisation muss außerdem ein physisches Büro vorweisen und es auch bezahlen können. Das ist keine direkte Repression, aber es hat Auswirkungen. Wenn beispielsweise eine Gruppe von 20 Leuten einen Förder- antrag stellen möchte, dann muss sie sich als Organisa- tion registrieren lassen und einen physikalischen Raum als Standort angeben. Im Dezember 2020 hat ein Gesetz zur Terrorismusbekämpfung das türkische Parlament

Laden Yurttagüler: Das ist nicht mit einem Satz zu be- antworten, denn die türkische Zivilgesellschaft ist ein vielfältiges und uneinheitliches Feld. Ich habe in den letzten Jahren viel zu diesem Thema gearbeitet und ge- forscht. In der letzten Dekade sind meine Kolleg*innen und ich immer davon ausgegangen, dass die Zivilge- sellschaft aufgrund des politischen und ökonomischen Umfelds schrumpfen würde. Das hat sich als falsch er- wiesen. Tatsächlich wächst die Anzahl zivilgesellschaft- licher Organisationen und auch ihre Angebote nehmen zu. Das hat unterschiedliche Gründe. Zum einem gibt es zunehmend mehr regierungsnahe Organisationen, für die sich viele Menschen ehrenamtlich engagieren. Sie beschäftigen sich nicht mit Themen wie Menschen- und Bürgerrechte, sondern mit Wohltätigkeit oder Kultur. Ein weiterer Grund liegt in der Flüchtlingskrise. Die Anzahl der Organisationen, die sich für Geflüchtete engagieren, hat sich verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht.

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IJAB: Welche Auswirkung hat das, was Sie beschrei- ben, für den Jugend- und Fachkräfteaustausch?

passiert. Wenn die Regierung es für notwendig erachtet, kann sie mit diesem Gesetz eine Organisation auflösen und/oder einen Treuhänder ernennen. Die Türkei steht mit dieser Entwicklung nicht allein. Russland, Ungarn und weitere Länder haben ähnliche Gesetze. Es sind die jungen Menschen, die sich engagieren Aber selbst unter diesem Druck überlebt die türkische Zivilgesellschaft. Es sind hauptsächlich junge Menschen, die sich für Geschlechtergerechtigkeit, Klimaschutz, Tier- rechte oder politische Partizipation engagieren. Das sind oft keine formalen Strukturen. Auch die Jugendorgani- sationen funktionieren weiterhin. Mit ihren Aktivitäten versuchen sie unterhalb des Radars zu bleiben. Wenn sie beispielsweise Förderung für ein Projekt zum Gender Mainstreaming erhalten, dann machen sie daraus keine öffentliche Kampagne, sondern bilden Netzwerke und bringen Organisationen und Aktivist*innen zusammen, mit denen sie ohne Öffentlichkeit arbeiten. Wir beobach - ten das auch bei LGBTQ-Themen oder in der Frauenbe- wegung. Gerade letztere ist in der Türkei sehr stark.

Laden Yurttagüler: Dazu erst einmal ein paar praktische Anmerkungen. Wer keinen Pass hat, bekommt kein Visum und hat damit keine Möglichkeit zum physischen Aus- tausch. Das beschränkt die Teilnehmer*innen auf die Mit- tel- und Oberschicht – oder man kennt jemanden im Regie- rungsapparat. Die Wirtschaftskrise und der Wertverlust der Türkischen Lira machen zudem Reisen nach Europa sehr teuer. Viele junge Menschen können sich das nicht leisten. Was das politische Umfeld angeht: Vor 15 Jahren, als ich selbst an Jugendaustauschen beteiligt war, konnten wir über alles sprechen – Menschenrechte, Minderheitenrech- te, was auch immer. Heute sind die Themen zurückhalten- der geworden. Andererseits machen junge Menschen und Fachkräfte Kontakte, die für sie sehr fruchtbar sind – in bei- den Richtungen. Sie erleben Diskussionsräume ohne Kon- trolle. Was und wie wir voneinander lernen, hat sich seit Covid verändert. Die Austausche sind jetzt offener für non- formales Lernen. Natürlich braucht Peer-Learning Struktu - ren, aber es gibt definitiv mehr Möglichkeiten zu lernen.

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