Für Jugendorganisationen werden sich vielleicht neue Räume öffnen IJAB: Welchen Einfluss haben die jüngsten Wahlen auf die Zivilgesellschaft? Präsidentschaftswahlen und Kommunalwahlen deuten in sehr unterschiedliche Richtungen. Laden Yurttagüler: Es gibt bisher keine Untersuchun- gen zu den Auswirkungen, daher kann ich nur meine persönlichen Eindrücke schildern. Für diejenigen, die der Regierung kritisch gegenüberstehen, war der Ausgang der Präsidentschaftswahlen sehr enttäuschend. Ich wür- de ihre Stimmung nicht als deprimiert, aber doch als in sich gekehrt und verunsichert beschreiben. Sie fragten sich, was politisch und wirtschaftlich auf sie zukommt, was mit ihnen geschehen könnte. Das hat vor den Kom- munalwahlen zu Pessimismus geführt. Aber durch die hohe Wahlbeteiligung ist es anders gekommen. In allen türkischen Metropolen hat die Opposition gewonnen. In diesen Städten wird 80 % der Wirtschaftsleistung ge - neriert. Wir können auch deutliche Unterschiede beim Wahlverhalten zwischen Stadt und Land sowie zwischen dem Westen und dem Osten des Landes erkennen. Das spiegelt sich auch im Zustand der Zivilgesellschaft wider. Ich denke, dass die Veränderungen zu neuen Möglichkei- ten führen werden, zum Beispiel zu mehr Kooperationen zwischen Zivilgesellschaft und Lokalpolitik. Für Jugendor- ganisationen werden sich vielleicht neue Räume öffnen, zum Beispiel in den Jugendzentren vor Ort. Vielleicht wer- den Jugend und Kultur auch stärker zusammenkommen. Allerdings wissen wir nicht, was in den regierungsfreund- lichen Teilen der Zivilgesellschaft gedacht wird. Wir sehen, wie sie nach außen agieren, wie sie gegen Abtreibung sind, gegen Frauenrechte, gegen LGBTQ. Aber wir ken- nen ihre internen Diskussionen nicht und wissen nicht, was die Wahlen bei ihnen angestoßen haben oder nicht. Denn solange sie nicht gewalttätig sind, sind auch sie Teil der Zivilgesellschaft – ob uns das gefällt oder nicht.
Kontakt Laden Yurttagüler
Mail: laden.yurttaguler@bilgi.edu.tr
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