beyond - Internationale Impulse für die Jugendarbeit 01|24

IM FOKUS – Fach- und Jugendaustausch mit der Türkei

Hasan Oğuzhan Aytaç: Unsere Kooperationsverhand- lungen mit den Gemeinden Diyarbakır und Mardin haben begonnen. Gemeinsam bauen wir eine partnerschaftli- che Zusammenarbeit im Einklang mit den Grundsätzen der Menschenrechte auf. Diese beiden Städte wurden acht Jahre lang von Treuhändern verwaltet. Nach acht Jahren sind diese Städte, die nicht von gewählten Vertre- tern regiert wurden, in Bezug auf die lokale Beteiligung und die Menschenrechte stark unterentwickelt. Die Zivil- gesellschaft und die gewählten Vertreter müssen große Anstrengungen unternehmen, um diesen Schaden zu be- heben und die demokratischen Werte wiederherzustel- len. Deshalb werden wir uns im Rahmen des „Local Youth Policy Program“ verstärkt auf diese Städte konzentrieren. Özge Erdoğan: Was sind eure Erwartungen in Bezug auf den Austausch mit Partnerorganisationen aus Deutsch- land? Wie können Organisationen in Deutschland euch in euren Bemühungen für mehr Demokratie und die Einhal- tung der Menschenrechte unterstützen? Hasan Oğuzhan Aytaç: Unser wichtigster Partner in Deutschland ist der DBJR. Unsere zentrale Erwartung ist Solidarität. Vor kurzem haben wir gemeinsam mit dem DNK [Anmerkung: Das Deutsche Nationalkomitee für internationale Jugendarbeit (DNK) repräsentiert Jugend­ organisationen aus Deutschland im Europäischen Jugend­ forum. Der Deutsche Bundesjugendring (DBJR) ist Mitglied im DNK.] einen Antrag zu den Haushaltskürzungen und dem zunehmenden politischen Druck auf die Jugendorgani- sationen in Europa vorbereitet. Es ist sehr wichtig, dass Beispiele wie diese mehr werden. Jedes Jahr haben wir mit Hilfe des DBJR die Möglichkeit, den politischen Druck, dem junge Menschen in der Türkei ausgesetzt sind, im Deutschen Bundestag zu erläutern. Wir brauchen mehr solcher und ähnlicher politischer Entwicklungsfelder. Wir haben erlebt, was die radikale Rechte mit der Zivilge- sellschaft eines Landes anstellen kann. Diese Gefahr ist leider für Nichtregierungsorganisationen in ganz Europa ein wichtiges Thema. Deshalb brauchen wir Solidarität auf internationaler Ebene, unabhängig vom Namen des jeweiligen Landes.

Özge Erdoğan: Oppositionelle und pro-kurdische Partei- en haben auf kommunaler Ebene Wahlsiege eingefahren, zum ersten Mal seit ihrer Gründung wurde die Regie- rungspartei nur zweitstärkste Kraft. Welche Auswirkun- gen erwartet ihr von dieser Veränderung für die Zivilge- sellschaft vor Ort und für eure Arbeit? Hasan Oğuzhan Aytaç: Die Ergebnisse dieser Wahl ha- ben vor allem den Glauben der Menschen an den poli- tischen Wandel verändert. Wenn die Menschen nicht an den Umbruch glauben, werden sie sich nicht organisieren. Wenn die Menschen nicht organisiert sind, verliert die Zi- vilgesellschaft ihre Funktion. Wenn wir den Druck auf und die Einschränkung von der Zivilgesellschaft in der Türkei betrachten, wird dieses Problem leider noch größer. Diese Wahl hat gezeigt, dass es noch Hoffnung auf Ver - änderung gibt. Wir glauben, dass diese Hoffnung der we - sentliche Katalysator für Mobilisierung und Organisation ist. Darüber hinaus hat der Regierungswechsel den Ju- gendorganisationen die Möglichkeit gegeben, über Men- schenrechte zu sprechen und Beteiligungsmechanismen zu schaffen. Auch die Oppositionsparteien haben ver - standen, dass der Kampf gegen die Autokratie ohne die Zivilgesellschaft nicht möglich wäre. Wir glauben, dass dieses gegenseitige Verständnis der Beginn der Gestal- tung der lokalen städtischen Politik in vielen Bereichen sein wird, insbesondere im Bereich der Jugend. Özge Erdoğan: GoFor hat sich im Vorfeld der Wahl mit Kandidat*innen getroffen und sie zu Jugendbeteiligung auf kommunaler Ebene befragt. Gibt es seit der Wahl eine Zusammenarbeit mit den Parteien, die neu in Regie- rungsverantwortung sind?

28

Made with FlippingBook - Online catalogs