TITELTHEMA | ENERGIE
WASSERSTOFF „Energiesystem neu denken“ Wasserstoff soll mittelfristig Erdgas als Energieträger und Rohstoff ersetzen. Damit dieses Vorhaben keine Zukunftsmusik bleibt, ist einiges an Arbeit notwendig.
entsprechende Schritte. Sind bereits diese Maßnahmen oft mit hohen Kosten verbunden, bleibt für viele Anwendungen Erdgas oder ein ähnlicher Energieträger notwendig. Kann Wasserstoff eine nachhaltige Alternative sein? „Klimafreundlicher Wasser- stoff ist ein elementarer Bau- stein für ein zukunftssicheres, resilientes und effizientes Energiesystem“, erklärt Isabell Knüttgen, Leiterin Energie bei der Landesagentur e-mobil BW und der Plattform H2BW: „Wasserstoff ist jedoch kein 1:1-Ersatz für fossile Energie- träger wie Erdgas. Wir müssen vielmehr das Energiesystem neu denken und den richtigen Transformationspfad finden.“ Dabei seien die chemischen Energieträger Wasserstoff und seine Derivate als Ergänzung zur Elektrifizierung vieler An- wendungen die beste Lösung. Nach Auswertung verschiede- ner aktueller Studien sei davon auszugehen, dass der Anteil des Wasserstoffs an einem künftigen Energiesystem circa 15 bis 25 Prozent umfassen wird. Es komme nun darauf an, in kurzer Zeit das System entsprechend auszulegen und Erfahrungen zu sammeln. Praxisnahe Projekte – wie H2Rhein-Neckar und H2Ri- vers – könnten aufzeigen, wo Wasserstoff sinnvoll eingesetzt werden kann und wann welche Mengen des Energieträgers in der Region benötigt werden. Gegenwärtig ist die Wasser- stoffwirtschaft nämlich noch durch ein typisches „Henne-
Ei-Problem“ geprägt: Eine wirt- schaftlich tragfähige Produk- tion kann erst anlaufen, wenn die entsprechende Nachfrage besteht, doch Unternehmen werden erst Wasserstoff nut- zen, wenn er in ausreichendem und bezahlbarem Maße verfüg- bar ist. Die Projekte H2Rhein- Neckar und H2Rivers bauten deshalb die gesamte Wert- schöpfungskette auf und er- probten sie in der Praxis. „Nun geht es darum, diese Kette in die Fläche auszurollen, die Er- fahrungen zu teilen und über die Häfen am Rhein für den Anschluss an das europäische Wasserstoff-Backbone zu sor- gen“, schildert Doris Wittne- ben, Bereichsleiterin Zukunfts- felder und Innovation bei der Metropolregion Rhein-Neckar GmbH, das Vorgehen. Eines ist für die Energieexper- tin Wittneben klar: „Wasser- stoff ist und bleibt ein knappes Gut. Wir sollten jetzt nicht riesige Mengen des Energie- trägers – insbesondere für Heizzwecke – verplanen, wenn wir sie nicht haben.“ Für 70 Prozent des erforderlichen Wasserstoffs bestünde wohl ein Importbedarf. „Das be- deutet im Umkehrschluss, dass wir 30 Prozent des Wasser- stoffs in Deutschland selbst erzeugen müssen“, berichtet Knüttgen: „Das Land versucht gegenwärtig intensiv, regiona- le Erzeugungskapazitäten zu aktivieren und das Entstehen von regionalen Hubs voran- zutreiben, die technisch und ökonomisch Sinn machen und sich idealerweise zu einem Netz integrieren.“
V iele energieintensive Unternehmen wurden von den mit Ausbruch des Russland-Ukraine-Krieges explodierenden Gaspreisen hart getroffen. Mittlerwei- le sind die Gaspreise zwar generell gesunken. Allerdings erreichen sie zum einen nicht das Niveau vor dem russischen Überfall, zum anderen ent- wickeln sich die Preise extrem uneinheitlich – je nach Art des Vertrages, Zeitpunkt des Vertragsabschlusses und den jeweiligen Liefermodalitäten (zum Beispiel Versorgung über Stadtwerke vs. Spotmarkt). Für weitere Unsicherheit sorgen Ankündigungen, Teile des Erdgasnetzes in abseh- barer Zeit stillzulegen. Viele Unternehmen fahren deshalb zweigleisig oder elektrifizieren ihre Fertigung bzw. planen
Einmal volltanken mit H2: Auf dem neuen Betriebshof der Rhein-Neckar- Verkehr GmbH in Heidelberg sind Wasserstoff-Tank - stellen integriert.
3.000 MILLIONEN Kubikmeter Wasserstoff wurden 2023 in Deutschland hergestellt. QUELLE: STATISTA
18
IHK Magazin Rhein-Neckar 06 | 2024
ihk.de/rhein-neckar
Made with FlippingBook Learn more on our blog