dass es schwierig wird, mit der Aufklärung dann erst zu starten, weil man sie als Eltern in dieser Zeit ggf. nicht vollumfänglich erreicht. Je widerstandsfähiger die jungen Menschen also sind, umso besser sind sie gegen mögliche Einflüsse wie Rauchen, Kiffen und viel Alkohol aus ihrem sich erweiternden Umfeld gewappnet. Unterstützung zu Alltagsfragen von Kindern und Jugend- lichen mit AATM bieten die „12 Fragen – 12 Antworten“, die Frau Dr. Eva Pfister von der MH Hannover eingespro- chen hat und die auf unserer Homepage zu finden sind. Ein sehr relevantes Thema ist die Transition, die den geplanten Übergang von Jugendlichen mit chronischen Krankheiten aus der Kinder- in die Erwachsenenmedizin beschreibt. Hier gibt es einige Herausforderungen, damit der Übergang gelingt: • Wechsel von familienzentrierter zu patientenzentrierter Betreuung • Fehlende Übergabestrukturen zwischen Pädiatrie und Erwachsenenmedizin (Informationsverlust) • Ängste vor dem Verlust vertrauter Ansprechpartner • Transition findet oft in einer Lebensphase mit vielen weiteren Umbrüchen statt (z. B. Schulabschluss, Ausbildung, Auszug von zu Hause). Die jungen Erwachsenen fühlen sich nicht krank und sehen selbst nicht unbedingt die Notwendigkeit, sich regelmäßig untersuchen zu lassen. Eine Möglichkeit, die jungen Erwachsenen dahin zu brin- gen, sich jährlich in einem Alpha-1 Center untersuchen zu lassen, ist die Einschleusung in das Register EARCO, ein paneuropäisches Netzwerk, das sich der Förderung der klinischen Forschung und Ausbildung im Bereich Alpha- 1-Antitrypsin-Mangel (AAT-Mangel) verschrieben hat. Weitere Informationen finden Sie auf unserer Homepage. Wie sehen derzeit die Therapiemöglich- keiten für den AATM aus? Die Lebertransplantation ist die einzige kurative Thera- pie. Diese ist bei weniger als 5 % der Kinder und Jugendlichen mit schwerem AATM notwendig. Da eine Transplantation mit der lebenslangen Einnahme von Medikamenten verbunden ist und immer auch die Mög- lichkeit einer Abstoßung besteht, ist dies keine Lösung, nur um den AATM loszuwerden. Zum Thema Lebertrans- plantation gibt es auf unserem YouTube-Kanal ein aus- führliches Referat des Bonner Spezialisten Prof. Dr. Rainer Ganschow. Bei schwerer Lebererkrankung kann die Gabe von fettlös- lichen Vitaminen (Vitamin A, D, E und K) angezeigt sein. Viele Alpha-Kinder erhalten Ursodeoxycholsäure (Urso- falk®) als möglichen Therapieversuch zum Schutz der Leber. Es handelt sich um eine körpereigene Gallensäure, die die Zusammensetzung der Gallenflüssigkeit verän- dert. Es sind keine relevanten Nebenwirkungen bekannt, es gibt allerdings für Kinder keine Studien über den Nutzen.
Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel sollte nicht dazu führen, dass das Kind irgendwelche Sportarten meidet. Es darf gern mit Spaß alles ausprobieren, was es möchte. Einzige Ausnahme ist, wenn in seltenen Fällen die Milz stark vergrößert ist. Dann sollte das Kind Kontaktsportarten meiden, worauf die betreuenden Ärzte dann auch hinweisen werden. Dr. Katzer und Dr. Weigert haben das Alpha-1 Kids-Register übernommen und 2023 neu gestartet. Über diese App können Familien die medizinischen Daten ihrer Kinder dem Team zur Verfügung stellen. Die App ist datenschutzkonform und sehr einfach zu bedie- nen. Die Familien haben einiges davon, denn es sind wertvolle Informationen zum AATM hinterlegt und die Gesundheitsdaten der Kinder können unkompliziert auch für die eige- nen Belange (z. B. Information bei Arztwechsel) gesammelt werden. Mithilfe von Erst- und Verlaufsbögen sowie der Möglichkeit, Laborwerte einfach per Handyfoto einzustellen, erhält das Team der Uniklinik Bonn die Möglichkeit, die Daten für die AATM-Forschung auszuwerten. Für die Familien bedeutet es, aktiv werden zu können und etwas dafür zu tun, dass die Forschung rund um den AATM weiter befeuert wird. Zu finden ist die App auf der Website https://alpha1kids.de und in den App-Stores unter alpha-1-KIDS.
Es ist sinnvoll, sie schrittweise an das Thema Alpha- 1-Antitrypsin-Mangel heranzuführen und die Kinder frühzeitig und regelmäßig beim Kinderhepatologen vorzustellen. Hier ist die Empfehlung aus dem Alpha1- Kindercenter Bonn: • Bei guten Verläufen Vorstellung von Pi*ZZ oder Pi*SZ meist 1x pro Jahr • Bei Säuglingen und Kleinkindern häufigere Kontrollen (alle 3 oder 6 Monate oder noch häufiger bei relevanter Lebererkrankung) • Bei Pi*MZ alle 2-3 Jahre Die Untersuchung umfasst ein Aufklärungsgespräch, die Blutuntersuchung, einen Ultraschall und bei Jugendlichen zusätzlich zumindest eine Lungenfunktionsmessung für den späteren Abgleich als Erwachsener. Weitere diagnos- tische Unterstützung können Elastografie oder Fibroscan sein, bei denen die Steifigkeit des Lebergewebes abge- schätzt wird. In einzelnen Fällen kann eine Leberbiopsie unter Sedierung notwendig sein, bei der etwas Leberge- webe entnommen wird. Für Betroffene bedeutet die Diagnose, dass ein Leben lang bei jeder Alpha-1-Untersuchung Blut abgenommen wird. Wie kann nun das kleine Kind auf die anstehende Blutabnahme vorbereitet werden? Laut Empfehlung der beiden Kinderärzte ist eine vorherige Ankündigung zu Hause sehr sinnvoll. Auch wenn es zunächst vielleicht Geschrei deswegen gibt, wird die eigentliche Blutent- nahme später nicht als so traumatisch empfunden und bleibt nicht als einziges in Erinnerung, sondern vielleicht das gut geführte Arztgespräch oder der interessante Ultraschall. Die Ärzte sehen immer wieder total trauma- tisierte Kinder, die vorher oft schlecht und unaufgeklärt gestochen wurden. Dieses Trauma bekommt man später schwierig aus den Kindern heraus und es begleitet die Alphas dann ein Leben lang. Für viele Kinder und Jugendliche ist die lokale Betäubung (Emla®, Tapfi®) vor der Blutentnahme eine gute Hilfe, so spüren sie den Stich nicht als Schmerz und sind offener für spätere Blutuntersuchungen. Die Pflaster oder Cremes gibt es in der Apotheke (auch auf Rezept) zu kaufen, und sie sollten mindestens 30 Minuten vor der Blutentnahme von den Eltern aufgeklebt worden sein, damit die Unter- suchung ohne Verzögerung starten kann. Je älter die Kinder und Jugendlichen werden, umso mehr spielen Faktoren wie Freunde, Schule und Freizeit eine Rolle. In der Runde wird diskutiert, inwieweit die Kinder öffentlich sagen sollen, dass sie den Gendefekt haben. Hier berichtet eine Mutter, dass ihr Sohn auf die Frage: Bist du krank? Die Antwort hat: Bisher nicht, aber ich will es auch nicht werden! Was für eine geniale Aussage, denn sie zeigt deutlich, dass sich das Kind nicht von den anderen unterscheidet und gleichzeitig Verantwortung für sich übernimmt, damit es auch so bleibt. Es ist sehr gut, wenn die Kinder altersgerecht aufgeklärt sind, also schon früh damit begonnen wird. Sobald sie in die Pubertät kommen, stürzen so viele Dinge auf sie ein,
Theoretisch ist die App weltweit anwendbar, die Ethikkommission hat vor Kurzem das GO dafür gegeben. Nun sollen nach und nach andere Länder eingebunden werden.
Eine weitere sinnvolle App für Kinder und junge Menschen mit seltenen und chronischen Erkrankungen oder Behinderungen ist unrare.me, die u.a. vom Kindernetzwerk und dem Zentrum für seltene Erkrankungen Bonn entwickelt wurde. Es ist eine Kommunikations- App für Menschen, die eine Diagnose erhalten haben und sich datensicher austauschen wollen. Interessant ist sie auch für Menschen, die Symptome haben, jedoch noch keine Diagnose haben und sich ebenfalls austauschen möchten. Die App ist für Betroffene, An- gehörige und jegliches Fachpersonal zur Vernetzung untereinander eingerichtet.
Seminar: Dr. David Katzer und Dr. Alexander Weigert, Bericht Gabi Niethammer
Alpha-1-Untersuchung: Leberbezogene Blutwerte
(Quelle D. Katzer/A. Weigert)
Bilirubin
AST (GOT)
• Enzym aus Leber- und Muskelzellen • Erhöht bei Schädigung der Leber- oder Muskelzellen
• Abbauprodukt des Blutfarbstoffs • Wird in der Leber von „indirektem“ zu „direktem“ Bilirubin umgewandelt (zusammen Gesamtbilirubin) • Wird über die Gallenwege in den Darm transportiert und mit dem Stuhl ausgeschieden • Bei erhöhtem Bilirubin („Gelbwert“) kommt es zu einer Gelbfärbung der Skleren und der Haut (Ikterus) • Bei Problemen in der Leber oder den Gallenwegen ist das direkte Bilirubin erhöht
ALT (GPT)
• Enzym v. a. aus Leberzellen • Erhöht bei Schädigung der Leberzellen
GLDH
• Enzym aus Mitochondrien („Kraftwerke der Zellen“) von Leberzellen • Erhöht bei stärkerer Schädigung der Leberzellen
Gallensäuren
• Werden in der Leber gebildet und über die Galle in den Darm ausgeschieden • Helfen bei der Verdauung von Fetten • Bei Problemen mit dem Gallenabfluss oder mit der Leber erhöht • Erhöhte Gallensäuren verursachen Juckreiz
yGT (Gamma-GT)
• Enzym aus vielen Zellen • Erhöht v.a. bei Schädigung der Leber und Gallenwege
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