FÜR SIE DOKUMENTIERT
Verordnung
Sauerstoff bedeutet Leben – Atmung und Langzeit-Sauerstofftherapie
Patienten mit einem Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – ins- besondere mit PIZZ-Variante – haben unter Belastung oftmals schneller einen erhöhten Sauerstoffbedarf. Vermutlich steht dies in Zusammenhang mit der geneti- schen Komponente sowie der häufigen Lokalisation des Emphysems in den unteren Lungenlappen. Die Nutzung eines persönlichen Pulsoximeters kann hilfreich sein, eine reduzierte Sauerstoffsättigung frühzeitig zu erken- nen – auch wenn eine Sauerstoffsättigung nicht immer der beste Ratgeber ist und nur eine Blutgasanalyse aus- sagekräftige Werte bieten kann. Gut zu wissen: Hartnäckig hält sich der Mythos, eine Langzeit-Sauerstofftherapie könne abhängig machen. Doch Sauerstoff bedeutet Leben! Ob lungengesund oder chronisch erkrankt, wir sind alle abhängig von Sauer- stoff. Stecken wir beispielsweise den Kopf unter Wasser, müssen wir spätestens nach 3 Minuten an die Oberfläche kommen, um zu atmen. Übrigens ermöglicht der Einsatz einer LTOT vor einer er- forderlich angezeigten medizinischen Indikation keinen Vorteil. Nebenwirkungen
Ob eine Verordnung einer Langzeit-Sauerstofftherapie erforderlich ist, wird insbesondere anhand einer Blutgas- analyse festgestellt. Für die Blutgasanalyse wird zumeist Kapillarblut aus dem Ohrläppchen entnommen. Sie kann jedoch auch aus arteriellem Vollblut mittels einer arte- riellen Punktion erfolgen.
Wichtig: Eine Messung mit dem Fingerpulsoximeter reicht keinesfalls aus!
Mittels einer Blutgasanalyse ist es möglich, Aussagen über die Gasverteilung von Sauerstoff und Kohlendioxid sowie über den pH-Wert und den Säure-Basen-Haushalt zu erhalten. Hauptaugenmerk sind vor allem die Werte der Sauerstoffsättigung und des Sauerstoffpartialdrucks. Sauerstoffpartialdruck Die Höhe der Sauerstoffsättigung ist abhängig vom Druck, den der im Blut enthaltene Sauerstoff ausübt. Diesen Druck nennt man den Sauerstoffpartialdruck (PO 2 ). Auf die Werte des PO 2 wird hinsichtlich einer Verordnung einer Langzeit-Sauerstoffverordnung besonders geachtet.
Atmung
Über die Luft aus unserer Umgebung nehmen wir Sauerstoff in unsere Lunge auf. Damit der Sauerstoff in die Lunge gelangen kann, atmen wir. Bei der Einat- mung weitet sich der Brustkorb, damit die Luft in die Atemwege einströmen kann, ähnlich wie bei einem Blasebalg. Atmung ist ein aktiver Prozess, der Energie erfordert und für den wir unsere Atemmuskulatur ein- setzen müssen. Den Hauptanteil der Atemarbeit übernimmt das Zwerchfell (auch Diaphragma genannt) mit 70 %. Das Zwerchfell ist ein dünner, kuppelförmiger Muskel, der die Brust vom Bauchbereich trennt. Zieht sich das Zwerchfell zusammen, öffnet sich der Brustkorb und die Luft kann in die Lunge einströmen. Ist die Lunge aufgrund eines ausgeprägten Lungen- emphysems überbläht, ist das Zwerchfell nicht mehr kuppelförmig, sondern nur noch flach, was das Zusammenziehen deutlich erschwert. Verstärkt kommen daher die Atemhilfsmuskeln zum Einsatz. Die Atemhilfsmuskeln befinden sich zwischen den Rippen und im oberen Halsbereich. Diese sind jedoch nicht so effektiv wie das Zwerchfell. Stützt man sich bei Luftnot auf, erleichtert dies die Arbeit der Atem- hilfsmuskulatur. Bei einem fortgeschrittenen Em- physem nimmt der Brustkorb eine Fassform an – ein Zeichen, dass die Hilfsmuskulatur besonders aktiv ist. Als Atempumpe wird die Gesamtheit dieser ana- tomischen und funktionellen Einheiten der Atmung bezeichnet. Gut zu wissen: Auf den Vorgang der Atmung nimmt eine Langzeit-Sauerstofftherapie keinen Einfluss. Aber mehr Wissen über die Bedeutung der Muskulatur auch bei der Atmung macht bewusst, wie wichtig es ist, Muskulatur zu erhalten. Und wer trainiert, kommt weniger aus der Puste. Bleiben Sie unbedingt körper- lich aktiv, auch mit einer Langzeit-Sauerstofftherapie.
Grenzwerte gemäß wissenschaftlicher LTOT-Leitlinie (www.awmf.org):
Nachteile im Sinne von schweren Nebenwirkungen weist eine LTOT nicht auf.
Referenten: Prof. Dr. Franziska Trudzinski, Heidelberg und Dr. Heinz Steveling, Essen
≤ 55 mmHg – Wenn der arterielle Sauerstoffpartialdruck unter Ruhebedingungen während einer stabilen Krank- heitsphase von mindestens drei Wochen zweimal kleiner gleich 55 mmHg liegt, besteht ein behandlungsbedürfti- ger chronischer Sauerstoffmangel im Blut. ≤ 60 mmHg – Wenn bei einer COPD/Lungenemphysem gleichzeitig entweder eine sekundäre Polyglobulie, d. h. eine Erhöhung der roten Blutkörperchen (Hämatokrit ≥ 55 %) und/oder ein Lungenherz (Cor pulmonale) mit und ohne Rechtsherzschwäche (Rechtsherzinsuffizienz) und hierdurch bedingte periphere Ödeme vorliegen, besteht bereits bei einem Sauerstoffpartialdruck von kleiner, gleich 60 mmHg ein behandlungsbedürftiger chronischer Sauerstoffmangel im Blut. Drei Phasen des Lebens Die Blutgasanalyse, ob ein chronischer Sauerstoffmangel besteht, muss unbedingt in allen drei Phasen des Lebens erfolgen: sowohl in Ruhe als auch bei körperlicher Belas- tung und ebenso während des Schlafs. Möglicherweise ist eine LTOT nicht für alle Phasen des Lebens notwendig. Vielleicht reicht eine Verordnung der LTOT während des Schlafs und/oder unter körperlicher Belastung aus. Zei- gen die Werte allerdings, dass eine LTOT bereits in Ruhe erforderlich ist, so gilt die Verordnung gleichermaßen unter Belastung und während des Schlafs für mindestens 15 Stunden täglich. Eine Orientierung für die Bedeutung der Definition „körperliche Belastung“ bietet der 6-Minuten-Gehtest. Werden hierbei die Grenzwerte unterschritten, ist die In- dikation einer LTOT angezeigt.
Trockene Schleimhäute Das Hauptproblem einer LTOT sind austrocknende und somit leicht blutende Schleimhäute, insbesondere bei einer höheren Flussrate von mehr als 2 Litern pro Minute. Ist dies der Fall, kann eine Anfeuchtung der LTOT, dies gilt insbesondere für die nächtliche Gabe, hilfreich sein. Beim nächtlichen Einsatz von Konzentratoren sind eine An- feuchtung und auch eine Anwärmung empfehlenswert. Darüber hinaus können spezielle Salben und Gels zum Schutz der Schleimhäute angewendet werden. CO 2 -Narkose Da die Lunge nicht nur Sauerstoff aufnimmt, sondern ebenso Kohlendioxid abatmet, muss gleichermaßen anhand der Blutgasanalyse kontrolliert werden, ob die CO 2 -Werte erhöht sind. Sind diese Werte deutlich erhöht, muss zunächst getestet werden, ob unter einer Gabe von Sauerstoff das CO 2 weiter ansteigt. Sollte dies der Fall sein, besteht die Gefahr einer sogenannten CO 2 -Narkose. Unsere Atmung wird durch automatische Impulse des Atemzentrums im Gehirn gesteuert. Erhält das Atemzen- trum bei zu hohen CO 2 -Werten und gleichzeitiger Gabe von Sauerstoff den Hinweis, Sauerstoff sei ausreichend vorhanden, kann der Impuls zur Atmung möglicherweise eingestellt werden. Patienten mit einer chronischen CO 2 -Erhöhung erhalten daher die Indikation für eine nicht invasive Beatmung (NIV). Eine NIV ist eine Maskenbeatmung, die gleichzeitig die Abatmung des CO 2 und die Aufnahme von Sauerstoff ermöglicht.
Gasaustausch
Tritt der Sauerstoff von den Lungenbläschen (Alveo- len) am Ende der kleinsten Bronchien in die kleinsten Blutgefäße (Kapillaren), wird dies als Gasaustausch bezeichnet. Ein Lungenemphysem führt zu einer Ver- ringerung der Anzahl an Lungenbläschen, wodurch die Fläche des Lungengewebes kleiner wird. Bereits in einer Computertomografie ist die Reduzierung des Lungen- gewebes sichtbar. Der Gasaustausch basiert auf dem Prinzip der Diffusion. Diffusion ist die Bewegung von Gasmolekülen von einem Bereich hoher Konzentration zu einem Bereich niedriger Konzentration, bis ein Gleichgewicht erreicht ist. Da bei einem Lungenemphysem die zur Verfügung ste- hende Gasaustauschfläche kleiner ist, kann durch den Einsatz einer Langzeit-Sauerstofftherapie „nachjustiert“ werden, um die Diffusion, den Gasaustausch weiterhin zu gewährleisten.
Gut zu wissen: Die Langzeit-Sauerstofftherapie (LTOT) unterstützt den Vorgang der Diffusion und somit den Gasaustausch zwischen Lungenbläschen und Blutgefäßen.
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