Alpha1-Journal Ausgabe 1 | 2025

AUS DER FORSCHUNG

PerMed-COPD – Patienten im Zentrum der Forschung

AUS DER FORSCHUNG

Individuelle Wege in der Therapie der chronisch obstruktiven Lungenerkran- kung (COPD) COPD – diese vier Buchstaben stehen für eine der am meisten unterschätzten Volkskrankheiten in Deutsch- land: die chronisch obstruktive Lungenerkrankung. Schätzungen zufolge leidet etwa jede neunte Person über 40 Jahren hierzulande an der Erkrankung – viele, ohne es zu wissen. Besonders betroffen sind Menschen über 65 Jahre. Typisch für COPD sind chronischer Husten, Atemnot und eine zunehmende Erschöpfung. Die Krankheit verläuft schleichend, ist derzeit nicht heilbar und führt in vielen Fällen zu einer massiven Einschränkung der Lebensquali- tät. Eine besondere Form der COPD ist der sogenannte Alpha-1-Antitrypsin-Mangel – ein genetisch bedingter Auslöser, der oft unerkannt bleibt.

ALPHA – Der neue Patientenfragebogen

zur Erfassung der Lebensqualität bei Alpha-1-Antitrypsin-Mangel Der Alpha-1-Antitrypsin-Mangel (AATM) ist eine seltene, erblich bedingte Erkrankung, die vor allem Lunge und Leber betreffen kann. Betroffene entwickeln häufig chronisch obstruktive Lungenerkrankungen (COPD) oder Leberprobleme –teilweise schon in jungen Jahren. Damit die Behandlung möglichst gut an die Bedürfnisse der Patienten angepasst werden kann, ist es wichtig zu wissen, wie es ihnen wirklich geht: körperlich, seelisch und im Alltag. Das Ziel des PROM (Patient Reported Outcome Measures) – Projekts war es, einen Fragebogen zu entwickeln, mit dem die Lebensqualität aus Sicht der Betroffenen erfasst werden kann.

Ein neuer Ansatz: PerMed-COPD

Genau hier setzt die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung unterstützte klinische Plattform PerMed- COPD an. Ihr Ziel: die Entwicklung eines sogenannten klinischen Entscheidungshilfesystems (engl. Clinical Decision Support System, kurz CDSS), das Ärzte bei der Wahl einer optimalen, individuell zugeschnittenen Therapie unterstützt. Das System basiert auf modernster Künstlicher Intelli- genz (KI) und greift auf eine Vielzahl von Gesundheits- daten zurück – darunter Lungenfunktion, Laborwerte, Begleiterkrankungen und Lebensumstände. Aus diesen Informationen entwickelt das CDSS konkrete Therapie- empfehlungen, die auf die persönlichen Bedürfnisse der jeweiligen Patienten abgestimmt sind. So wird etwa bei einer Person mit begleitender Herzschwäche eine andere Behandlung empfohlen als bei einer Person mit psychi- scher Belastung oder Stoffwechselproblemen. Gemeinsam forschen – gemeinsam profitieren Die Perspektive der Patienten ist ein fester Bestandteil des Projekts. Die Patientenorganisation Alpha1 Deutsch- land e.V. wirkt aktiv an der Entwicklung und Umsetzung mit. Als Vertreterin bringe ich wichtige Impulse ein – etwa, wie verständlich Informationen vermittelt werden oder welche Bedürfnisse Betroffene im Alltag tatsächlich haben. Doch ich musste erst lernen nachzufragen, wenn ich etwas nicht verstanden habe, und gerade durch diese Nachfragen kamen oft neue Erkenntnisse zustande. Wir Patienten sehen manches mit anderen Augen – und ge- nau das hilft den Forschenden weiter.

COPD – eine komplexe Herausforderung

Ergänzt wurde der Fragebogen durch zusätzliche Fragen, die gezielt auf Lebensbereiche eingehen, die in den drei standardisierten Fragebögen nicht ausreichend berück- sichtigt werden. Einige unserer Mitglieder haben vor einiger Zeit den Fragebogen getestet, ergänzt und damit maßgeblich zu seiner Qualität beigetragen. Der Fragebogen ALPHA wur- de anschließend in spezialisierten Zentren auf Alltags- tauglichkeit und Aussagekraft getestet. Das neue Instrument ermöglicht eine umfassende, aber trotzdem zeitsparende Erfassung der Lebensqualität bei AATM. Dadurch können Ärzte die Beschwerden und Bedürfnisse ihrer Patienten genauer verstehen und die Behandlung gezielter anpassen. Außerdem kann der Fragebogen dabei helfen, Therapien in Studien besser zu bewerten. Ziel ist es, ALPHA künftig in der Versorgung und Forschung bei AATM einzusetzen. Wir, das Projektteam, glauben, dass das PROM-Projekt einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Versorgung bei AATM leistet – indem es den Fokus stärker auf das lenkt, was Betroffene selbst über ihre Gesundheit sagen. Für ihre Erkrankung sind sie die Spezialisten und gehört werden, macht einen ganzheitlichen Ansatz möglich.

Statt einen komplett neuen Fragebogen zu entwickeln, haben die Forschenden über 1200 Fachartikel durchsucht und über 400 bereits existierende Fragebögen geprüft. Dabei war entscheidend: Die Fragebögen sollten ein- fach und verständlich sein, wichtige Krankheitsaspekte abdecken (allgemein, lungen- und leberspezifisch), auf Deutsch verfügbar sein und sich für Studien ebenso wie für die tägliche Praxis eignen. Nach einem mehrstufigen Auswahlprozess unter Einbe- ziehung von Experten und Patientenvertretenden wurde ein kombinierter Fragebogen entwickelt, auch genannt ALPHA (Assessment of Lung, Liver and Patient Health in Alpha-1). Es besteht vor allem aus drei bewährten Frage- bögen: 1 EQ-5D-5L (EuroQol 5 Dimensions 5 Levels): Erfasst die allgemeine Lebensqualität – z. B. Beweglichkeit, Schmer- zen, Stimmung

Die Ursachen für COPD sind vielfältig. Rauchen gilt als wichtigster Risikofaktor, doch auch Umweltbelastungen wie Feinstaub oder bestimmte berufliche Expositionen spielen eine Rolle. Hinzu kommen genetische Veranla- gungen und immunologische Faktoren. Häufig treten weitere Erkrankungen gleichzeitig auf – etwa Herz-Kreis- lauf-Probleme, Diabetes oder psychische Belastungen. Diese Begleiterkrankungen machen die Diagnose und Behandlung komplexer und erschweren oft eine zielge- richtete Therapie.

2 CAT (COPD Assessment Test): Bezieht sich auf die Lunge – z. B. Husten, Atemnot, Energie

3 CLDQ (Chronic Liver Disease Questionnaire): Bezieht sich auf die Leber – z. B. Müdigkeit, Bauchbeschwerden, Sorgen über den Krankheitsverlauf

Marion Wilkens

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