KLIMAPOLITIK
wurde North Sea Link nach England in Betrieb genommen. Aufgrund der angespannten Preis- lage werden im Süden Norwegens keine weiteren Planungen diskutiert. Zuletzt wurde sogar der Bau des Stromkabels NorthConnect zwischen Norwegen und Schottland gestoppt. Norwegen gehörte zu den Ländern, das mit als erstes auf Abscheiden und Speichern von CO 2 setzte. Wie weit ist Norwegen bei Carbon-Capture- and-Storage (CCS) heute? Kern: Mit dem Longship-Projekt hat Norwegen das größte klimapoliti- sche Industrieprojekt der Geschichte lanciert. Dabei soll sowohl in Südnor- wegen (Brevik) in einem Zementwerk, das zu Heidelberg Materials gehört, als auch in Oslo in einer Müllver- brennungsanlage CO2 abgeschieden werden. Entsprechende Anlagen werden derzeit gebaut. Das flüssige CO2 soll dann wiederrum im
elf Windturbinen bestehen. Im Spät- sommer soll die Anlage komplett in Betrieb genommen werden. Der Windpark Utsira Nord vor der Südwestküste Norwegens wurde im Frühjahr ausgeschrieben. Hier sind aufgrund der Gegebenheiten vor Ort nur schwimmende Anlagen möglich. Die Vergabe der Konzessionen ist für Dezember 2023 geplant. Das Inter- esse ist groß. Mein letzter Stand ist, dass rund 16 Konsortien Interesse be- kundet haben, darunter auch Konsor- tien mit deutscher Beteiligung. Wie kann die deutsche Windkraft- industrie davon profitieren? Uns im Ländle interessieren vor allem Chan- cen für Zulieferer der Tier-2- und Tier-3-Ebene. Kern: Mit Blick auf die ambitionier- ten Ausbaupläne der Offshore-Wind- anlagen im gesamten Nordseebecken wird es in allen Anrainerstaaten zu Engpässen im Zuliefererbereich kom- men. Das macht eine länderübergrei- fende Zusammenarbeit unabdingbar. Zum Beispiel bedarf es eines Netzes von Seekabeln auf dem Meeresgrund, was zu Engpässen in der Seekabel- produktion führen kann. Weiteren Bedarf sehe ich vor allem bei Zuliefer- schiffen und Windturbinen, aber auch bei Rohstoffen und Materialien wie Zement und Stahl, die für den Bau der schwimmenden Windkraftanlagen benötigt werden. Hier können sich deutsche Zulieferer ins Spiel bringen und sich als Partner für die norwegi- sche Windkraftindustrie positionie- ren. 60 bis 80 Prozent der Zulieferer für schwimmende Windparks werden aus der Öl- und Gasindustrie kommen und ihr vorhandenes Know-how ein- bringen. Gefragt sind auch hier Zulie- ferer im Bereich Metallverarbeitung, Maschinenbau, Anlagentechnik bis hin zu den Grundstoffen. Ein wichti- ger Faktor wird der Hafenausbau sein. Um ein Gefühl für die Größenord- nung und die Herausforderungen zu bekommen, möchte ich ein Beispiel nennen: Es hat zwei Jahre gebraucht, um die elf Turbinen für Hywind Tam- pen zu errichten, die circa 90 MW produzieren. Bis 2040 sollen in Norwegen Offshore-Windparks ent- stehen, die 30.000 MW produzieren.
Sie können sich ausrechnen, welche Skalierungen notwendig werden, um dieses Ziel zu erreichen. Mit NorGer ist ein zweites HGÜ- Seekabel zwischen Norwegen und Deutschland geplant. Wie groß sind die Realisationschancen? Kern: Aktuell gibt es insgesamt sie- ben Seekabel von Norwegen aus: Drei nach Dänemark, NorNed nach Eems- haven in die Niederlande, NordLink nach Deutschland und im Jahr 2021 Michael Kern ist seit 2019 Geschäfts- führendes Vorstandsmitglied der AHK Norwegen in Oslo. Mit seinem Team unterstützt er deutsche Unternehmen beim Markteinstieg und der Suche nach Koope- rationspartnern.
Zulieferer willkommen: Gefragt sind sie für Metallverarbeitung, Maschinen- bau, Anlagentechnik bis hin zu Bau- und Grundstoffen. Hier ist Bilfinger aus Mann - heim an einem Fundament am Werk.
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IHK Global Business 07/2023
ihk.de/rhein-neckar
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