TITELTHEMA | AUSLANDSGESCHÄFT
INTERVIEW „Sich nicht von wenigen Märkten abhängig machen“ IHK-Experte Matthias Kruse über das Auf und Ab in wichtigen Exportländern hiesiger Unternehmen.
Herr Kruse, wohin gehen die Waren aus unserer Region? Matthias Kruse: Knapp die Hälfte an Kunden innerhalb des EU-Binnen- markts und außerhalb Deutschlands. Größte einzelne Exportmärkte sind nach den USA unsere Nachbarmärkte Schweiz und Frankreich – noch vor der Volksrepublik China. Erfreulich entwi- ckelten sich 2024 vor allem die Exporte in die Schweiz. Sie stiegen um fast zehn Prozent. Noch erfreulicher war der Export- zuwachs nach Saudi-Arabien von fast 30 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Das Aus- gangsniveau war allerdings deutlich niedriger als Richtung Schweiz. Auf dem chinesischen Markt gibt es teils starke Rückgänge von im Schnitt minus 15 Prozent. Wie sieht es in Europa aus? Kruse: Hier gibt es eine Reihe von Märkten, die sich in den vergangenen Jahren gut entwi- ckelt haben, allen voran die Schweiz. Aber auch Polen entwickelt sich seit vielen Jahren sehr erfreulich und hat sich mittlerweile fest unter den Top 10 der Exportmärkte vieler unserer Mitgliedsunternehmen etabliert. Erfreulich ist auch, dass die Großbritannien-Geschäfte wieder etwas besser laufen. Hier hatte es durch den Brexit zuvor einen erheblichen Einbruch gegeben. Und das, was exportiert wird, ist dann original gefertigt im Odenwald, in Mannheim, Heidelberg… Kruse: Viele Unternehmen sind in Nischen tätig, die sie zu weltweit gefragten Hidden Champions macht. Und ja, auch wenn die Fertigungstiefe je nach Unternehmen oft sehr unterschiedlich ist, sind viele Endprodukte immer noch „Made in Germany“. Hinzu kommt, dass im Vergleich zu anderen IHK-Bezirken die Unternehmen in unserer Region breit aufge-
stellt sind. Es dominiert nicht eine Bran- che, sondern es finden sich Anbieter aus vielen verschiedenen Indust- riebereichen wie Maschinenbau, Elektrotechnik, Medizintechnik, Metallbearbeitung, Mess- und Re- geltechnik, Kunststoffverarbeitung, die Chemieindustrie und andere Zuliefererindustrien. Wie blicken die Betriebe über den Atlantik in die USA, einem der wichtigsten Handelspartner? Besorgt? Kruse: Die Rahmenbedingungen sind aktuell sehr volatil. Wir beide wissen jetzt, während wir sprechen, zum Beispiel noch nicht, was die neuen US-Zusatzzölle für Waren aus der EU für Auswirkungen auf hiesige Betriebe haben wer- den. Aber es lassen sich ein paar Kernaussagen treffen. Die USA befanden sich bereits vor dem Regierungswechsel auf einem Wachstumspfad. Das Wachstum dürfte sich kurz- und mittel- fristig dort eher noch beschleunigen. Dafür sprechen nicht nur voraussichtlich weiter sinkende Energiekosten. Einschneidende De- regulierungen werden wahrscheinlich einiges Chaos verursachen, aber sehr oft auch neue Innovationen ermöglichen, die wiederum zu erheblichem Wachstum führen wird. Wie stark werden deutsche Unternehmen von diesem Wachstum profitieren? Kruse: Wer vor Ort in den USA für den US- Markt mit hoher Fertigungstiefe produziert, profitiert wahrscheinlich sehr von dem zu er- wartenden Wachstum. Wer in die USA impor- tiert unter Umständen aber auch. Grundsätzlich gilt: Es bleibt für Unternehmen erst einmal die Unsicherheit. Unser Rat: Weiter diversifizieren, wenn möglich, und nicht von wenigen Märkten, etwa in den USA oder in China, zu stark abhän- gig sein.
Mathias Kruse ist IHK-Geschäfts- führer International.
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IHK Magazin Rhein-Neckar 03 | 2025
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