IHK-Magazin Ausgabe 3/2025

AUS DER IHK

INTERVIEW „Wirtschaft entfesseln statt verwalten“ Was fordert IHK-Präsident Manfred Schnabel von der neuen Bundesregierung?

gehören auf den Prüfstand. Zusätzlich brauchen wir Entlastungen am Arbeitsmarkt, etwa bei den Lohnnebenkosten. Hier sind strukturelle Refor- men überfällig. Und bei der Bürokratie? Schnabel: Wir müssen die Wurzel des Problems anpacken. Bürokratie ist häufig nur ein Symp- tom für eine überbordende Regulatorik auf allen Ebenen. Und diese erstickt viele Unternehmen! Wir brauchen weniger, dafür klare und wider- spruchsfreie Regeln; ohne nationale Übererfül- lung. Was genau meinen Sie damit? Schnabel: Es reicht nicht mehr aus, wie etwa durch die Omnibus-Gesetzgebung auf EU-Ebe- ne, Regulierungen lediglich bürokratieärmer und widerspruchsfreier zu gestalten. Vielmehr muss ein erheblicher Teil der überbordenden Regulatorik ganz abgeschafft werden. Ein Beispiel in Deutschland ist das Lieferketten- sorgfaltspflichtengesetz. Dazu gibt es eine ausreichende EU-weite Regelung. Und auf europäischer Ebene sollte die Taxonomie voll- ständig gestrichen werden. Solche Vorschriften schaffen enorme Unsicherheit und belasten die Unternehmen im internationalen Wettbewerb massiv. CDU/CSU, SPD und Grüne haben durch Grundgesetzänderungen neue Spielräume geschaffen. Wie beurteilen Sie dies? Schnabel: Ich sehe das kritisch. Geld allein hilft nicht weiter. Wir brauchen zuerst Struktur- reformen und eine klare Aufgabenprüfung des Staates. Sonst werden strukturelle Probleme erneut mit Geld zugeschüttet – statt sie wirklich zu lösen. Wie blicken Sie auf die Finanzpolitik generell? Schnabel: Schulden dürfen, wenn überhaupt, nur in Zukunftsinvestitionen fließen. Der Grundsatz der Haushaltsdisziplin und Sparsam- keit muss bleiben. Deutschland war der finanz-

Herr Schnabel, Deutschland kommt wirtschaftlich kaum vom Fleck. Woran liegt die anhaltende Schwächephase? Manfred Schnabel: Zunächst: Unsere Unter- nehmen sind stark und innovativ. Der Standort Deutschland hat über viele Jahre mit seiner Wirtschaftskraft überzeugt, vor allem durch den Mittelstand. Doch seit 2014 verschlechtern sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen zusehends. Schnabel: Im World Competitiveness Ranking des renommierten IMD-Institut aus Lausanne ist unser Land in den vergangenen drei Jahren regelrecht abgestürzt. Das Ranking zeigt: Wir liegen bei Lebenshaltungs-, Bau- und Energie- kosten, Reformfähigkeit sowie Steuer- und Ab- gabenlast weit hinten. Unternehmen kämpfen zudem mit einem dysfunktionalen Arbeitsmarkt und einer überbordenden Regulierungsdichte. Wie beim gefesselten Riesen Gulliver müssen wir die vielen Fesseln lösen, die unsere Wirt- schaft ausbremsen. In welchen Bereichen sehen Sie diese Verschlechterung? Was sollte die neue Bundesregierung jetzt konkret machen, um den „gefesselten Riesen“ wieder zu wecken? Schnabel: Der Handlungsbedarf ist gewaltig. Die IHK-Organisation hat zwölf Maßnahmen für die ersten 100 Tage vorgelegt – schnell umsetzbar und haushaltsneutral. Ein Beispiel: Alle Fehlanreize für einen frühen Ruhestand müssen abgebaut werden. Gleichzeitig müssen Unternehmen unkompliziert weiterbeschäftigen können, auch jenseits der Regelaltersgrenze. Dann sollten Arbeitgeberbeiträge zur Arbeits- losenversicherung entfallen.

Die 12 Punkte der IHK-Organisation für die ersten 100 Tage der neuen Bundes- regierung: bit.ly/12-ihk- punkte

Wie kann die Wirtschaft finanziell entlastet werden?

Schnabel: Beispielsweise muss die Stromsteuer dauerhaft auf das europäische Mindestmaß sin- ken – für alle Branchen. Auch die Netzentgelte

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IHK Magazin Rhein-Neckar 03 | 2025

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