IHK-Magazin Ausgabe 5/2024

AUS DEN UNTERNEHMEN

THE CULTIVATED B. „Eine neue Ära der

Lebensmittelproduktion“ Noch ist Fleisch aus dem Bioreaktor in Europa Zukunftsmusik. The Cultivated B. GmbH aus Heidelberg will das ändern.

S teak und Wurst aus dem Labor: In den USA wurde bereits Mitte 2023 aus Zellen gezüchtetes Fleisch für den Verkauf freigegeben. Auch in Singapur liegen entspre- chende Genehmigungen vor. In Deutschland, wo die Europäi- sche Behörde für Lebensmittel- sicherheit für das Thema „No- vel Food“ zuständig ist, gibt es zwar noch keine Zulassungen für entsprechende Produkte. Doch Dr. Wolfgang Kühnl, ge- schäftsführender Gesellschaf- ter des westfälischen Lebens- mittelkonzerns InFamily Foods Holding, ist überzeugt, dass Fleisch aus dem Bioreaktor in rund zehn Jahren auch in deut- schen Supermärkten zu finden sein wird. „Die Herstellung von zellkultivierten Fleisch- produkten dient nicht nur dem Tierwohl, sondern verringert, wenn erneuerbare Energien eingesetzt werden, erheblich die CO2-Emissionen sowie den

Bedarf an Wasser und Flächen.“ Diese Überzeugung motivierte ihn und seinen Co-Gesellschaf- ter und Co-Geschäftsführer Hans-Ewald Reinert 2021 in Heidelberg mit der The Culti- vated B. GmbH – ergänzend zur Wurstherstellung aus tierischen und pflanzlichen Produkten – eine dritte Konzernsäule zu etablieren. Unternehmens- zweck: B2B-Technologieanbie- ter für die Herstellung zellkul- tivierter Fleischprodukte, unter anderem die Entwicklung und Fertigung von Bioreaktoren für die Lebensmittelindustrie. Im März 2024 wurden diese erst- mals auf der Anuga FoodTec in Köln vorgestellt und bereits an erste Kunden geliefert. „In Heidelberg befinden sich unser Forschungs- und Ent- wicklungslabore“, so Dr. Dr. Hamid Noori, Co-Founder und Geschäftsführer des Biotech- nologie- und Bioengineering- Unternehmens. „Wir haben hier einen idealen Standort gefunden, denn die Rhein- Neckar-Region unterstützt den BioTech-Bereich politisch und wirtschaftlich und ist auch mit Blick auf unseren Bedarf an Mitarbeitern perfekt auf- gestellt.“ Von den rund 70 Be- schäftigten des wissenschafts- getriebenen Unternehmens hat die Mehrheit promoviert. Die Fertigung der Bioreaktoren sowie die Durchführung von Pilotprojekten im Bereich der Präzisionsfermentation findet hingegen in Kanada statt.

„Bioreaktoren wurden bisher vor allem in der Pharmaindus- trie eingesetzt. Wir haben sie für die Großproduktion von Lebensmitteln angepasst und sie können auch von angelern- tem Personal bedient werden“, beschreibt Noori das Konzept. Und so funktioniert es: Auf Ba- sis einer Gewebeprobe werden Zelllinien gewonnen, die dann in Bioreaktoren unter Zugabe von Nährmedien wie Wasser, Zucker und Aminosäuren kulti- viert und vermehrt werden. Im Anschluss wird die Zellmasse geerntet und für die Weiter- verarbeitung vorbereitet. So erreiche man Schritt für Schritt größere Volumina, bis es sich lohnt, diese zu ernten und für den Verzehr aufzubereiten. Im Herbst 2023 ist The Cultivated B. als erstes Bio- tech-Unternehmen bei der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit in das Vorverfahren für die Zulassung eines zellkultivierten Hybrid- produkts in Kooperation mit dem Schwesterunternehmen The Family Butchers eingetre- ten. „Mit dieser Entscheidung wollen wir dazu beitragen, eine neue Ära der Lebensmittel- produktion einzuläuten – in der Gesundheit, Geschmack, Ethik und Nachhaltigkeit naht- los zusammenfließen“, fasst Geschäftsführer Noori zusam- men. uc

371 MILLIONEN TONNEN Fleisch werden 2024 voraussichtlich produziert QUELLE: WHO (JUNI 2024)

Auf der Anuga FoodTec in Köln präsentierten Dr. Wolfgang Kühnl (links) und Hans-Ewald Reinert die Bio - reaktoren von The Cultivated B.

thecultivatedb.com

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IHK Magazin Rhein-Neckar 05 | 2024

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