Der Landesjugendring Schleswig-Holstein (vgl. 2019, S. 2) warnt in seinem Positionspapier vor einer Kommerzialisie- rung der Ganztagsangebote, die bestehende ehrenamtliche Strukturen schwächen könnte. Durch die Fokussierung auf professionelle, bezahlte Betreuungspersonen droht das Ehrenamt an Bedeutung zu verlieren.
3. Konflikte bei der Zusammenarbeit zwischen Schule und außerschulischen Akteuren Ein entscheidender Punkt der Kritik zielt auf die mangelnde Einbindung außerschulischer Akteure in die Gestaltung der Ganztagsbildung. Der DBJR (vgl. 2023, S. 3 f.) mahnt, dass die Kooperation zwischen Schulen und Jugendverbänden oft durch schulische Strukturen dominiert und additiv organisiert wird, was zu einem hierarchischen Ungleichgewicht führt. Während die Ganztagsschule ursprünglich als Ort der Kooperation zwischen Schule und Jugend(verbands)arbeit konzipiert wurde, zeigt sich in der Praxis oft eine Dominanz der Schule. Die Jugendverbände und anderen außerschu- lischen Partner werden häufig nicht ausreichend in die Gestaltung der Ganztagsangebote eingebunden, obwohl ihre Expertise im Bereich der non-formalen Bildung von großem Nutzen wäre (vgl. Landesjugendring NRW 2019, S. 3; DBJR 2024). Weiterhin fehlt eine partnerschaftliche Zusammenarbeit auf Augenhöhe, bei der beide Seiten ihre Eigenständigkeit bewahren. Die Schule sollte nicht die alleinige Kontrolle über die Bildungsangebote haben, sondern die spezifischen Kompetenzen und Erfahrungen der Jugendarbeit einbeziehen (vgl. Landesjugend NRW 2019, S. 2 f.). Dabei ist es wich- tig, dass die außerschulischen Akteure die Möglichkeit haben, ihre Angebote ohne den Druck schulischer Leistungsanforderungen umzusetzen. Nur so können alternative Lernräume geschaffen werden, die Kindern und Ju- gendlichen neue Erfahrungs- und Beteiligungsmöglichkeiten eröffnen. Das Ehrenamt, das in vielen außerschulischen Angeboten eine zentrale Rolle spielt, könnte wie oben beschrieben in den Hintergrund gedrängt werden, wenn die Ganztagsschule diese Räume nicht ausreichend öffnet. Hinzu kommt die finanzielle Unsicherheit vieler non-formaler Bildungsanbieter, die (nicht nur) durch den Ausbau der Ganztagsschule verstärkt wird. Die Corona-Pandemie hat zudem die infrastrukturellen Schwächen dieser Kooperatio- nen offengelegt, was zu einer wachsenden Kluft zwischen schulischen und außerschulischen Bildungsakteuren geführt hat (vgl. DBJR 2023, S. 4). Deshalb wird eine bessere finanzielle Absicherung non-formaler Bildungsangebote gefordert, um ihre Existenz neben dem Ganztagsausbau zu gewährleisten (vgl. DBJR 2024, S. 3 f.). 4. Konflikte von multiprofessionellen Teams Die Etablierung einer umfassenden Ganztagsförderung mit Kooperation außerschulischer Träger geht mit einer Zu- sammenarbeit von verschiedenen Professionen und Fachkräften - vor dem im GaFöG beschriebenen Fachkräftegebot (nach §72 SGB VIII) - zusammen. Dabei müssen bei dem Ruf nach Einbindung von Angeboten von Jugendverbänden haupt-, neben- und vor allem ehrenamtliche Gruppenleiter*innen mitgedacht werden (vgl. DBJR 2024; vgl. Landesju- gendring Baden-Württemberg 2022). Und wenn dies vor dem ebenfalls vorherrschenden Fachkräfte- und Ehrenamtsmangel in dem außerschulischen Bereich gedacht wird, bleibt offen, inwieweit dies sinnvoll und gleichbe- rechtigt umgesetzt werden kann. Ebenso sind die Unterschiede in Arbeitszeitmodellen sowie Gehalt zwischen Lehrkräften, Erzieher*innen, hauptamtli- chem Personal der Jugend- und Jugendverbandsarbeit und ehrenamtlichen Gruppenleiter*innen eine weitere Herausforderung bezüglich der angestrebten Gleichberechtigung aller Involvierten (vgl. AGJ 2022, S. 13 f.). Der Säch- sische Ganztagsschulverband (2019, S. 3) spricht sogar von der Schaffung von "Pädagog* innen erster und zweiter Klasse". Die AGJ (2022) fasst weitere Herausforderungen bei der Implementierung von Ganztagsbildung und Multiprofessio- nalität zusammen:
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