Dabei gibt es in Deutschland keine einheitliche Definition von Cyber-Mobbing6. In der Studie „Cyberlife IV“ vom „Bünd- nis gegen Cybermobbing“ wurden 2022 folgende Formen von Cyber-Mobbing benannt:
Beschimpfung / Beleidigung
• • • •
Ausgrenzung
Verbreitung von Lügen und Gerüchten
Unter Druck gesetzt / Erpressung / Bedrohung
• Private Fotos wurden kopiert und woanders veröffentlicht • Verbreitung unangenehmer und peinlicher Fotos oder Filme • Fakeprofil erstellt und in meinem Namen als Täter agiert oder mich bloßgestellt
Die oben genannten Beispiele aus Japan passen zum Punkt „Ausgrenzung“. Und vermutlich gibt es auch alle anderen Formen von Cyber-Mobbing in Japan. Trotzdem lohnt ein genauerer Blick.
Einige der aufgeführten Formen von Cyber-Mobbing sind an Straftaten gekoppelt. Eine „Beleidigung“ oder die „Ver- breitung privater Fotos“ verstößt gegen eine Rechtsnorm. Bei der „Ausgrenzung“ geht es hingegen um gesellschaftliche Konventionen. Das bewusste Nicht-Reagieren auf Nachrichten bekommt eine besondere Schärfe und wird zur Grenzverletzung, weil sozial erwartbares Verhalten nicht stattfindet.
Konflikte entstehen durch Grenzverletzung Das Beispiel aus Japan zeigt, dass erwartbares Verhalten scheinbar kulturellen Prägungen unterlaufen ist. In einer Gesellschaft, in der Harmonie ein zentraler Wert ist, ist dies natürlich auch damit verbunden, dass soziale Interaktio- nen nach bestimmten Regeln erfolgen sollen. Auch in Deutschland gelten Regeln fürs Miteinander. Manche davon sind offen kommuniziert, wie z.B. das gewünschte Verhalten im Unterricht. Andere erwartete Umgangsformen sind unausgesprochen – dies ist z.B. bei Kommunikation in Messengergruppen häufig der Fall. Die Verletzung von Grenzen ist ein Kern von vielen Konflikten – offline wie online. Dabei sind Grenzverletzungen ab- seits von kulturellen Besonderheiten immer individuell. Auch in deutschen Schulklassen trifft nicht jede Beleidigung jeden gleich. Genau hinschauen Die kulturelle Randnotiz macht deutlich, wie wichtig es ist, genau hinzusehen. Mobbing und vor allem Cyber-Mobbing sind schwer zu erkennen. Dabei kommt es immer auf die Perspektive der Betroffenen an, ob eine Situation als belas- tend empfunden wird. Der Messengerdienst LINE führt medienpädagogische Workshops an japanischen Schulen durch. Eine Methode aus diesen Workshops wird im Folgenden kurz erläutert, weil sie genau auf den Punkt der individuellen Betroffenheit abzielt. Das Bild zeigt fünf Karten in verschiedenen Farben, auf der jeweils eine Verhaltensweise zum Umgang mit dem Handy steht:
————————————— 6 Es gibt auch keine einheitliche Schreibweise – mit dem Begriff „Cyber-Mobbing“ soll dem Gedanken Ausdruck verliehen werden, dass es um eine Form von Mobbing geht. Verbreitet sind auch die Schreibweisen „Cybermobbing“ und „(Cyber-)Mobbing“.
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