Selbstmord, Achtsamkeit und das Fediverse 7 Torben Fischer-Gese
Hana Kimura (*3.9.1997) war eine japanisch-indonesische Profi-Wrestlerin, die am 22. Mai 2020 in Tokio Selbstmord beging. Sie war die Tochter von Kyoko Kimura, ebenfalls eine Profi-Wrestlerin. Wer ihr Vater war, ist öffentlich nicht bekannt und vermutlich hatte sie auch keinen Kontakt zu ihm. In Interviews hat ihre Mutter lediglich erzählt, dass er aus Indonesien stammt, woraufhin Hana als „japanisch-indonesisch“ bezeichnet wurde. Ihre Mutter berichtet, dass Hana bereits in der Grundschule geärgert und gemobbt wurde („Geh doch zurück nach Indonesien“) 8 . Sie beschreibt sie als extrovertiert: „As a student in junior high and then high school, she developed an interest in dancing, modeling and becoming a star” 9 . Bereits als Kind hatte sie durch ihre Mutter Kontakte mit dem Wrestling-Sport und startete 2016 mit 19 Jahren ihre Profikarriere. 2019 trat sie dem Wrestling-Stall World Wonder Ring Stardom bei, einem der renommiertesten Frauen-Wrestling-Promotions in Japan. Sie war bekannt für ihren ein- zigartigen Stil, ihre athletischen Fähigkeiten und ihre charismatische Präsenz im Ring. Sie gewann mehrere Titel und Auszeichnungen, darunter das Artist of Stardom Championship und das Goddess of Stardom Championship. Neben ihrer Wrestling-Karriere erlangte Hana Kimura auch durch ihre Teilnahme an der beliebten japanischen Reality-Show "Terrace House: Tokyo 2019–2020" Aufmerksamkeit. Diese Show brachte ihr eine breitere Bekanntheit außerhalb der Wrestling-Community. Leider war Hana Kimura auch Ziel von Cybermobbing und Hasskommentaren in den Sozialen Medien, insbesondere nach ihrem Auftritt in "Terrace House". Am 23. Mai 2020 wurde Hana Kimura tot in ihrer Woh- nung aufgefunden. Ihr Tod wurde als Suizid eingestuft, was eine Welle von Trauer und Bestürzung in der Wrestling- Welt und darüber hinaus auslöste. Dies führte zu einer verstärkten Diskussion über Cybermobbing und die psychi- schen Auswirkungen von Online-Hass in Japan. In der Folge wurden und werden Selbsttötungen von jungen Menschen in Japan häufig auf den Tod von Hana Kimura bezogen. Die Selbstmordrate von jungen Menschen in Japan ist, verglichen mit anderen Ländern, sehr hoch. Mit einer Selbst- mordrate von 12,3/100.000 Einwohner*innen lag Japan 2019 bei den G7 Staaten auf Platz 2, Deutschland mit 8,3/100.000 EW auf Platz 5. 10 Die Rate ist auf 17,3/100.000EW für Japan im Jahr 2022 gestiegen und hat damit den höchsten Wert seit 2016 erreicht. Für die 10-30 jährigen in Japan ist Selbstmord die häufigste Todesursache, 2063 Menschen in dieser Altersklasse haben sich 2022 das Leben genommen 11 . Die Gründe aus denen sich Menschen ent- schließen sich selbst zu töten, sind vielfältig und für Außenstehende nur schwer erklärbar, gleichwohl gibt es übergreifende, gesellschaftliche Strukturbedingungen die einen Selbstmord in bestimmten Situationen wahrscheinli- cher oder unwahrscheinlicher machen können.
Der Selbstmord Émile Durkheims Werk „Der Selbstmord“ (1897) ist eine soziologische Studie, die den Selbstmord nicht als individuel- les, sondern als soziales Phänomen untersucht. Durkheim war bestrebt zu zeigen, dass Selbstmordraten von sozialen Faktoren bestimmt werden und nicht allein durch individuelle psychologische Zustände erklärt werden können.
————————————— 7 Der Artikel greift – eklektisch – verschiedene Themen auf, die während des Fachkräfteaustausches im Mai/Jun 2024 in Japan in den ver- schiedenen Begegnungen auftauchten. Sie bilden hier verschiedene Perspektiven und eine Reflexionsfolie, deren Konsistenz jeweils einer genaueren Ausarbeitung bedarf. 8 Vgl.: https://mainichi.jp/english/articles/20200710/p2a/00m/0et/018000c (07/2024) 9 Ebd. 10 https://www.destatis.de/DE/Themen/Laender-Regionen/Internationales/Thema/bevoelkerung-arbeit-soziales/gesundheit/Suizid.html 11 https://www.mhlw.go.jp/english/database/db-hh/1-2.html
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