Trotz dieser, auf den ersten Blick erfolgreichen Balance gibt es auch Herausforderungen und Widersprüche. Die schnelle Adaption von Technologie kann auch Spannungen erzeugen, insbesondere wenn sie mit traditionellen sozi- alen Normen kollidiert. Speziell die jüngere Generation wächst in einer Welt auf, in der digitale Medien, das Internet und soziale Netzwerke allgegenwärtig sind. Diese Technologien bringen das Potenzial mit sich, traditionelle Werte und Normen zu hinterfra- gen und teilweise auch zu entkräften. Gleichzeitig schaffen sie neue Möglichkeiten für kulturelle Ausdrucksformen und soziale Interaktionen. Medienbildung in Japan bewegt sich in diesem Spannungsfeld. Bei unseren Einrichtungsbesuchen konnten wir feststellen, dass die Vermittlung von Medienkompetenz auch immer das Ziel hat, gesellschaftliche Wert- und Normvorstellungen zu bewahren und diese in das jeweilige Bildungsangebot zu integrieren. Eine Orientierung an traditionellen Werten im (Medien-) Bildungsprozess scheint dabei zu einer brei- teren gesellschaftlichen Akzeptanz zu führen, was offenbar ein wichtiger Faktor ist, um Bildungsangebote in Japan neu denken und anbieten zu können. Spielen in Japan Japan hat eine reiche Tradition des Spielens, die sowohl analoge als auch digitale Formen umfasst. Von traditionellen Brettspielen wie Shogi und Go bis hin zu modernen Videospielen und Mobile Games hat das Spielen in der japanischen Kultur eine tiefe Bedeutung. Diese Spiele erfüllen nicht nur Unterhaltungszwecke, sondern tragen auch zur Bildung und zur Aufrechterhaltung kultureller Werte bei. Dies bestätigt auch Herr Dai Nagase beim Besuch des Informations- bildungszentrums und der e-Sport - Abteilung der Universität Shikoku. Er erklärte, im Vordergrund stehe die Spielfreude und das gemeinsame Zusammenkommen. Die e-Sport AG gründete sich 2018 als Pilotprojekt und ist eins von sehr wenigen e-Sport Angeboten in Japan. Sie ordnet sich selbst dem Feld der sogenannten Meta Education zu. Alles, was mit Erziehung und Bildung zu tun hat ist Meta Education, erklärte Nagase. Gesellschaftlich gesehen fördern traditionelle analoge Spiele die Interaktion zwischen den Generationen. Ältere Fami- lienmitglieder bringen oft jüngeren Generationen Spiele wie Go bei, was zu einem Austausch innerhalb der Generationen führt und gleichzeitig die familiären Bindungen stärkt. In einer Gesellschaft, die stark von Respekt ge- genüber Älteren geprägt ist, erfüllt das gemeinsame spielen eine wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung dieser Werte. Ein wichtiges Element beim Spielen (analog und digital) ist der Respekt vor dem Gegner. Herr Nagase erklärte, dass dieses Konzept auch in der e-Sport AG von Bedeutung ist. Beim Zocken übers Internet würden Ländergrenzen überschritten und keine Rolle mehr spielen. Das Spiel ist der gemeinsame Nenner, in ihm sind alle gleich. Das würde neue Chancen mit sich bringen da die Nationalität irrelevant werde, aber: Die reine Gewinnab- sicht im Spiel sei seiner Ansicht nach keine gute Spieletaktik. In vielen traditionellen und auch modernen Spielen in Japan ist es wichtig, das Spiel mit einem gewissen Anstand zu spielen und das Ergebnis, sei es ein Sieg oder eine Niederlage, mit Würde zu akzeptieren. Obwohl das Gewinnen sicherlich ein Ziel ist, das viele Spieler anstreben, ist es in der e-Sport AG nicht der einzige oder wichtigste Aspekt. Vielmehr steht der Lernprozess, die Disziplin, die sozialen Interaktionen und der Respekt im Vordergrund. Dieses Bei- spiel zeigt konkret, wie ein innovatives Angebot unter Einbindung von traditionellen Wertvorstellungen funktionieren kann. Obwohl Japan seit Jahrzehnten in der Entwicklung von digitalen Spielen mit führend ist, haben diese laut Nagase in der japanischen Gesellschaft einen schlechten Ruf. Es wird vielmehr ihr Ablenkungs- und Suchtpotenzial gesehen und ihr Nutzen für Bildungszwecke gering eingeschätzt. Die Gründung einer e-Sport AG im Universitätskontext ist ein Schritt diese Sichtweise ein Stück weit zu entkräften.
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