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Im Gespräch

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››Wozu haben wir 30.000 Jahre lang Wölfe domestiziert, nur damit man jetzt wieder den Wolf einkreuzt? Das ist völliger Wahnsinn‹‹

nicht mit Fremden. Dagegen sozialisiert sich der Hund generell gut mit Menschen. Hunde akzeptieren unsere Führung und sind glücklich, wenn wir wissen, was wir wollen. Wölfe übernehmen selbst gerne die Führung. Man kooperiert mit ihnen auf Augenhöhe, mit Hunden nicht unbedingt.

Hat die Zusammenarbeit mit Wölfen auch Ihre

Sicht auf Hunde verändert? Definitiv. Bei der Aufzucht der ersten Wolfswelpen 2008 habe ich gelernt: Wenn man sie respektvoll behandelt, ohne sie dominieren zu wollen, dann entwickeln sie sich zu zuverlässigen Kooperationspartnern. Dadurch habe ich auch in Bezug auf Hunde diese veraltete Ideolo- gie abgelegt, durch Dominanz meine Position als Rudel- führer klarstellen zu müssen. Besonders bei Hunde- welpen mische ich mich nicht mehr so viel ein. Natür- lich habe ich sie immer im Blick und hin und wieder muss man eingreifen und klarstellen, was einem nicht passt. Heute nehme ich mich bei der Erziehung aber stärker zurück als früher.

Sie fordern ein Menschenrecht auf einen Hund. Wie

kommen Sie darauf? Erstens ist der Mensch an ein Leben mit anderen Tieren angepasst. Zweitens leben wir schon seit 35.000 Jahren mit Hunden. Genügend Daten zeigen, dass Kinder, die mit Hunden aufwachsen, zu sozial kompetenten Erwachsenen werden. Außerdem sind Menschen mit Hund gesünder. Natürlich müssen die Wohnverhältnisse stimmen. Aber dass Vermieter sagen, dass man keine Tiere haben darf, ist eine Zumutung. So eng verbunden sein wie mit einem Hund kann man mit kaum einem anderen Tier. Wir gehören einfach zusammen.

tent-Hybriden mit möglichst hohem Wolfsanteil an. Un- sere Zivilisationsumgebung ist jedoch weder für die Ner- ven der Wölfe geeignet, noch erfüllen diese Tiere die Vorstellung der Leute. Dazu kommt, dass diese Hybriden sehr stark unter Trennungsangst leiden. Wozu haben wir 30.000 Jahre lang Wölfe domestiziert, nur damit man jetzt wieder den Wolf in unsere Haushunde einkreuzt? Das ist völliger Wahnsinn. Sie selbst haben eine Eurasierhündin, die gerade geworfen hat. Wie viel Wolf sehen Sie in Ihren Hunden? Sehr viel. Eurasier gehören genetisch zu den wolfsarti- gen Hunden. Das heißt nicht, dass sie sich wie Wölfe aufführen. Aber die Welpen machen im Stunden- und Tagesrhythmus festgelegte Entwicklungsschritte, die de- nen von Wolfswelpen ähneln, etwa die Aufnahme fester Nahrung, der Schlaf- und Aufwachrhythmus und das Absetzen von Kot und Urin. Die Eurasier-Welpen spielen lautlos, sie fressen lautlos. Das sind alles wolfsähnliche Eigenschaften, zumindest bei den Welpen. Bei den er- wachsenen Hunden ist es ihre Ruhe. Auch Wölfe, mit de- nen man kooperiert, zeichnen sich durch eine unglaubli- che Ruhe aus. Die meisten positiven Eigenschaften der Hunde, vor allem die Kooperationsbereitschaft und die soziale Sensibilität, sind direktes Wolfserbe. Es gibt aber auch wichtige Unterschiede: Ein sozialisierter Wolf ar- beitet sehr gerne mit seinen Menschen zusammen, aber

DER WOLF BEI UNS In seinem neuen Buch beschreibt der österreichische Verhaltens- biologe und Wolfsexperte Kurt Kotrschal, wie aus dem Wolf unser erstes Haustier wurde. Er legt die aktuelle Situation der Wölfe in Deutschland dar und beschreibt, warum ihre Rückkehr auch Chancen bietet. „Der Wolf und wir“ von Kurt Kotrschal, 25 Euro, Brandstätter Verlag

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