DOGStoday

Als Rodrigo Pinto in seinen Neoprenanzug steigt, ändert sich die Energie auf seinem Hof schlagartig. Aus Ent- spannung wird Anspannung. Aus Gleichmut wird Unge- duld, aus Gelassenheit Aufregung. Allen ist klar, wie es gleich weitergeht. Und alle wollen unbedingt dabei sein. Rodrigo Pinto, 61 Jahre alt, schlank, portugiesisch-dunk- ler Teint und graumeliertes Haar, steht an seinem Hoftor. Vor ihm Gewusel und Gedränge. Zwanzig Portugiesische Wasserhunde, kurz PWD („Portuguese Water Dog“) ren- nen, springen, bellen. Doch nur acht dürfen heute mit. „Ashanty, Gorila, VagaBond, Moana“, ruft Pinto. Irgend- wie mogeln sich auch Mia, Golden und Estrella an ihrem Herrchen vorbei und springen in dessen weißen Liefer- wagen. Doch Pinto bringt sie kurz darauf zurück. Sorry, heute sind die anderen dran. Seit über 18 Jahren züchtet Pinto die mittelgroße, muskulöse Rasse an der Algarve. Er vermittelt die Hun- de nicht nur innerhalb Portugals, sondern auch nach Nordeuropa, Australien, Kanada, die USA, Japan und Ko- rea. Pinto zählt zu den besten Kennern der ausgespro- chen intelligenten und agilen Porties. Er weiß um ihre Vorlieben, Stärken und Schwächen. Ihre Macken und In- stinkte. Auf Wettbewerben im In- und Ausland gewann er mit seinen Hunden zahlreiche Preise. Auch die ersten zertifizierten Wasserrettungshunde des Landes kommen aus der Casa da Buba – dem „Haus von Buba“. So heißt Pintos Zucht vor den Toren von Lagos, benannt nach sei- A nem ersten Portie. Es ist ungewiss, wo genau die Porties ihren Ursprung haben. Russland, Persien oder im Reich der Phönizier? Auch die Römer berichteten von „fischen- den Hunden“ auf der Iberischen Halbinsel. Fest steht, dass sich die Rasse von Südportugal aus weltweit ver- breitet hat und als Vorfahre von Pudeln oder Neu- fundländern gehandelt wird. Mehr als 500 Jahre lang arbeitete der Cão de Água Português, wie er in der Lan- dessprache heißt, als vollwertiges Crew-Mitglied auf Fischerbooten – von Portugal bis vor die Küsten Islands. Zwar stahl der technische Fortschritt Anfang des 20. Jahrhunderts den Porties ihren Job, doch ihre Seetaug- lichkeit ist noch heute im Wesen und den Fähigkeiten der Rasse spürbar. Der Portugiesische Wasserhund ist vom Wasser geradezu besessen. Um diesen Instinkt zu stimulieren, trainiert Pinto seine Hunde so oft wie mög- lich an einem Strand in Lagos. „So weit ich weiß, ist das der einzige Strand weltweit, der speziell für das Training von Portugiesischen Wasserhunden ausgewiesen ist“, sagt Pinto stolz. Seit zwei Jahren darf hier niemand schwimmen oder angeln, und Pinto ist befugt, andere Hunde und ihre Halter fortzuschicken, wenn er trainie- ren möchte. Vier Jahre habe es gedauert, bis er die Son- dergenehmigung in den Händen hielt. Als Pinto und seine Lebensgefährtin Mónica Afonso um kurz vor halb neun den Praia do Cais da Solária erreichen, wirkt Lagos so träge wie ein Hund in der Mittagshitze. Geschlossene Cafés, verwaiste Prome- nade, kaum Passanten. Der Atlantik ist rau an diesem Januarmorgen. Die Wellen, manche deutlich über einen Meter hoch, laufen kreuz und quer ans Ufer. Wenn sie mit tiefem Grollen gegen den Pier schlagen, regnet der Ozean kurz darauf aus bis zu acht Metern wieder hinab. Die Gischt verteilt sich als feiner Sprühnebel in der küh- len Morgenluft, während sich die Sonne durch kleinste Lücken in der Wolkendecke zwängt. Sekundenbruchteile nachdem Pinto die Türen seines Lieferwagens geöffnet hat, rennen seine Hunde im Vollsprint und mit spitzem Bellen Richtung Ozean. Sie wissen genau, wo sie sind: in ihrem Element. Angstfrei stürzen sie sich in die Wellen. Schwimmen, tauchen, apportieren Tennisbälle. Für die meisten Menschen wäre das Wasser an diesem Tag kein Badespaß. Mauern an beiden Seiten des Strandes ma- chen es fast unmöglich, Stärke und Richtung der Wellen zuverlässig vorherzusagen. Für den Portie sei das kein Problem, sagt Mónica Afonso: „Sie sind nicht nur aus- dauernde Schwimmer, sondern auch seit Generationen trainiert, das Wasser zu lesen. Sie können auf Strömun- gen reagieren und wissen genau, wo eine Welle brechen DOGS today Rasseporträt 82

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