DOGStoday

Rasseporträt

3. 2022

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dem Portie und seinem Frauchen oder Herrchen eine au- ßergewöhnlich enge Bindung besteht: Hund und Mensch wissen, dass sie sich im Notfall gegenseitig retten. Als tierisches Radar machte sich der PWD an Bord ebenfalls verdient. Wenn Dunkelheit oder Nebel den Fischern die Sicht nahmen, verriet die feine Hundenase, ob andere Vierbeiner in der Nähe waren. Lautes Bellen in die ent- sprechende Richtung verhinderte einen Zusammenstoß. Außerdem halfen die Tiere, Boote an Land zu ziehen, und bewachten sie, wenn Herrchen und Crew fort wa- ren. Noch heute ist der Portie ein fähiger Wachhund. „Diese Hunde interpretieren alles als Arbeit“, sagt Móni- ca Afonso. „Es mag ausgesehen haben wie ein Spiel, doch für sie war es ein Job.“ Um diesen bestmöglich ausführen zu können, ist die Fellpflege wichtig. Wobei das Wort Fell hier irrefüh- rend ist. Denn Porties haben gelockte oder gewellte Haa- re, kein Fell. Da diese Haare kaum ausfallen – regelmäßi- ges Bürsten ist dennoch unbedingt empfohlen –, wird der PWD immer wieder als hypoallergener Hund dekla- riert. Pinto und Afonso scheren ihre Hunde in der soge- nannten Löwenschur: von der Schwanzspitze bis zur ersten Rippe sehr kurz, sodass sich die Krallen beim Schwimmen nicht in den Locken verheddern. Beim Schwimmen bewegen Porties nämlich ihre Vorderpfoten nicht paddelnd wie die meisten anderen Rassen, sondern ziehen sie seitlich am Körper vorbei. Die Schwanzspitze bleibt lang, um beim Steuern zu helfen, lange Haare am Oberkörper bewahren Herz und Lunge vor einem Tem- peraturschock, wenn die Hunde in kaltes Wasser sprin- gen. Die Nase wird rasiert, sodass die Haare weder den Geruchssinn noch – beim Tauchen – die Sicht behindern, der Pony bleibt lang und schützt die Porties vor der Son- ne. Mindestens zwei Mal jährlich geht es zum Friseur, denn die Haare wachsen etwa eineinhalb Zentimeter pro Monat. Wem der Löwenschnitt nicht gefällt, kann auch zur Retriever-Schur greifen: einmal alles kurz bitte. Durch die enge Beziehung zum Kapitän und des- sen Umgang mit der Crew weiß der Portie hervorragend über das Führen einer Gruppe Bescheid. Gegenüber Herrchen oder Frauchen ist er loyal und gehorsam. Al- lerdings sucht er sich selbst aus, wen er als Anführer sieht. Manchmal ist das sogar ortsabhängig, wie Mónica Afonso erzählt: „Hier auf dem Zuchtgelände hören die Hunde vor allem auf Rodrigo, bei uns zu Hause folgen sie meinem Kommando.“ Porties sind extrem verku- schelt und bindungsfreudig. Auf dem Sofa liegt immer eine Schnauze, eine Pfote oder ein Hundepo direkt am

wird – und ob sie unter ihr hindurchtauchen oder über sie hinwegschwimmen müssen.“ Sogar surfen sollen die Porties können. Dazu legen sie ihren Körper geschickt in die anbrandende Welle, die Schwimmhäute zwischen ihren gespreizten Zehen geben zusätzlichen Vortrieb. Das morgendliche Training dauert eine halbe Stunde. Ohne Pause laufen die Vierbeiner immer wieder ins Wasser, schwimmen hinaus, drehen um und werden beim Herauslaufen von den Wellen durchgespült. Kurz geschüttelt, weiter geht’s den Pier entlang. Mit Vollgas, versteht sich. „Oft heißt es, Portugiesische Wasserhunde seien hyperaktiv. Aber das ist falsch“, wird Pinto später sagen. Ein hyperaktiver Hund sei permanent nervös, käme nie zur Ruhe und würde wie ein Flummi durch die Gegend hüpfen. Porties hingegen haben zwei gegen- sätzliche Temperamente: Mal sind sie extrem energiege- laden, mal auffällig ruhig. Auch das, so Pinto, hänge mit der Vergangenheit auf den Fischerbooten zusammen. Dort hatte der Hund seinen festgelegten Platz, meist nur ein, zwei Quadratmeter vorn am Bug. Umherzulaufen war dem Tier verboten. Überall lagen Netze, Haken, Köder – und die Crew musste arbeiten. So wartete der Hund auf seinen Einsatz, verharrte stundenlang im Ruhemodus. Deshalb kommt die Rasse noch heute mit sehr wenig Platz in der Wohnung aus. Sobald der Kapi- tän das Kommando gab, musste der Hund hochkonzent- riert sein. Arbeitsmodus. Netze einholen und Gegenstän- de wie Werkzeug, Ausrüstung, Wasser oder Lebensmittel zwischen Booten oder zum Festland transportieren. Oder er half, entflohene Fische zurück in die Netze zu drängen. Ein Hund, der aktiv Fische jagt? Nicht ganz, er- klärt Pinto. Jeder gesunde Fisch wäre viel zu schnell und würde schlicht abtauchen. Zwar können Porties bis zu drei Meter tief tauchen, doch sie hätten keine Chance. „Wenn der Fisch aber aus 30, 40 Meter Tiefe kam und durch den Druckunterschied an der Wasseroberfläche benommen war, konnte ihn der Hund tatsächlich ins Netz drängen“, erzählt Pinto. Außerdem beobachteten die Hunde die Wasser- oberfläche und schlugen Alarm, sobald sie Luftblasen und Bewegung an der Oberfläche sahen. Für die meist schlafenden Fischer das Zeichen, dass das Netz gefüllt war. PWDs holten alles zurück, was über Bord fiel. Mit- unter auch Menschen, denn damals konnten die meisten Fischer nicht schwimmen. Die erste erhaltene Überliefe- rung einer solchen Rettung stammt von einem portugie- sischen Mönch aus dem Jahr 1297. Dieses lebensrettende Kommando, so Pinto, sei der Grund, warum zwischen

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