gehört zunächst, dass der Hund sich vom eigenen Menschen berühren und untersu- chen lässt. Im zweiten Schritt dann aber auch, dass ein fremder Mensch den Hund in gewissen Situationen berühren darf. Dabei geht es nicht einmal nur um den Tierarzt oder die Tierärztin. Je nach Fell ist die Pflege des Hundes im Hundefrisör- Salon notwendig, der Hund kann aber auch die Behandlung mittels einer Tierphysio- therapie benötigen. Der Arztbesuch aus Menschensicht In der Regel konsultiert man Arzt oder Ärztin nur dann, wenn er/sie einem sym- pathisch ist. Zudem wissen wir in der Regel, was auf uns zukommt. Wir verstehen den Sinn der Untersuchungen und sind darauf vorbereitet, wenn eine Behandlung schmerzhaft sein könnte. Der Arztbesuch aus Hundesicht Dein Hund betritt einen Raum, in dem wahrscheinlich bereits weitere, ihm frem- de Hunde sitzen. Unter Umständen warten dort auch andere Tierarten auf ihre Be- handlung. Das bedeutet viele fremde Ge- rüche, verunsicherte Artgenossen und oft auch Enge. Kaum habt ihr beide das Be- handlungszimmer betreten, passiert noch etwas sehr Seltsames aus Sicht des Hundes: Er wird dort platziert, wo er normalerwei- se gar nicht hin darf: auf den Tisch! Dann kommt auch noch ein fremder Mensch ganz nah an ihn heran und drückt ihm ei- nen Gegenstand auf den Körper, um ihn abzuhören. Er hebt die Ohren an, um tief hineinzuschauen, und steckt ihm vielleicht sogar einen Gegenstand in den Po. Zu allem Überfluss pikt er ihn dann oft auch noch in die Seite. Und das ist nur der Ablauf einer ganz normalen Gesundheitsvorsorge mit Impfung! Ist dein Hund krank oder verletzt, ist diese Prozedur noch viel unangeneh- mer. Der/die Tierarzt/Tierärztin drückt an einer Wunde herum oder tastet den schmerzenden Bauch ab und fügt deinem Hund dabei weitere Schmerzen zu. Viel- leicht untersucht er/sie ihn auch mit Gerä- ten, die deinem Hund völlig fremd sind.
Alles das verunsichert deinen Hund, denn er weiß ja nicht, dass der Behandeln- de dies alles nur tut, damit es ihm wieder besser geht. Manche Hunde lassen all das mit sich machen und halten bei der Untersuchung ganz still. Doch nur, weil dein Hund sich ruhig und duldsam verhält, bedeutet das nicht, dass er die Behandlung auch gut fin- det bzw. diese ihn nicht beunruhigt. Ruhi- ges Verhalten kann auch Meideverhalten sein: Dein Hund erstarrt und hat Angst. Auch wenn er sich also in diesem Fall nicht gegen die Behandlung wehrt, fühlt er sich dennoch unwohl. Und unter Umständen kann es dann aus einer solchen Angst he- raus auch zu aggressivem Verhalten kom- men. Dein Hund beißt dann scheinbar
Katrin Bechtel arbeitete 16 Jahre lang als
F ür die meisten Menschen ist der Arzt- besuch in den seltensten Fällen mit Spaß und Freude verbunden. Wir ge- hen dorthin, weil es uns schlecht geht, oder auch zur Vorsorge, wie zum Beispiel bei einer Impfung. Für mich persönlich ist vor allem der Besuch beim Zahnarzt immer ein kleiner Horrortrip. Dennoch kann ich den Sinn darin erkennen und weiß genau, dass mir geholfen wird bzw. so Schlimmeres verhindert werden kann. Wie schaut das aber für unsere Vierbeiner aus? Während meiner jahrelangen Arbeit in einer Tierarztpraxis habe ich leider viel zu häufig mit ansehen müssen, wie Hunde wegen Kleinigkeiten in Narkose gelegt wer- den mussten, weil sie sich von niemandem, nicht einmal dem/der eigenen HalterIn, anfassen lassen wollten. Natürlich birgt eine Narkose Risiken, diese sollte wenn möglich daher vermieden werden. Selbst vermeintlich harmlose Aktionen wie die Kontrolle der Ohren führen in Tierarztpra- xen oft zu massiven „Kampfhandlungen“. Verhält sich ein Hund bei Untersuchun- gen ruhig, vereinfacht das für alle Beteilig- ten die Situation erheblich. Reagiert er je- doch aggressiv oder sogar panisch, verursacht dies ein echtes Problem. Es ist also wirklich wichtig, mit Hunden mög- lichst früh ein sogenanntes „Tierarzttrai- ning“ bzw. „Medical Training“ zu beginnen und sie dadurch bestmöglich auf eventu- elle Untersuchungen vorzubereiten. Dazu Tiermedizinische Fachangestellte. Seit Anfang 2013 betreibt sie ihre Martin Rütter DOGS Hundeschule im Raum Walldorf/Bruchsal. Begleitet wird sie dabei stets von Australian-Cattle-Dog-Hündin Gladys. www.martinruetter.com/ walldorf-bruchsal
Ebenso wie das Bürsten sollte ein Hund auch lernen, an verschiedensten Körperteilen berührt zu werden und das zu dulden
Sich von einem Fremden so anfassen zu lassen, dazu muss für den Hund auch das Vertrauens- verhältnis zu seinem Menschen stimmen
„ Ruhiges Verhalten kann auch Meideverhalten sein “
7/2022 Martin Rütter 63
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