04-2017 D

4/2017 INHALT

Wo ist das Ende der Welt? «Gehet hin in alle Welt», sagte Jesus nach seiner Auferste- hung. Bei diesem Satz kommt mir sofort der Gedanke «bis ans Ende der Welt» in den Sinn. Aber wo befindet sich das Ende derWelt? Irgendwo im entfernten Afrika, im Bergland von Nepal oder direkt vor unserer Haustüre? Die folgende Geschichte aus unserem Projekt hat mir gezeigt, wie nah das «Ende der Welt» doch sein kann. Zu gefährlich für Postzustellung Gemeinsammit unserer Partnerkirche haben wir ein Nach- hilfeprojekt gestartet: Dreimal pro Woche kommen rund 20 Schülerinnen und Schüler vorbei und werden von ei- nem Team der lokalen Kirche schulisch gefördert und unterstützt. Die Kirche und damit auch das Projekt liegen etwas ausserhalb der Grossstadt Belém, in der Nähe eines riesigen Abfallberges – eine Gegend, die von Kriminalität geprägt ist. Im letzten Semester haben wir unter anderem das Thema «Der Ort, an dem ich lebe» behandelt. Die Kinder wur- den aufgefordert, sich mit ihrer Umgebung vertraut zu machen. Sie lernten ihre Adresse auswendig, erkundeten ihre Nachbarschaft und wir brachten ihnen bei, wie man Karten liest. Dabei kam die Idee auf, das Auswendiglernen der Adresse zu nutzen, um sich gegenseitig Postkarten zu schreiben. Die Leiterin des Projekts sammelte die Karten ein und wollte sie bei der Poststelle in Belém abgeben, doch sie wurde abgewiesen mit dem Hinweis, dass an diesen Stadtteil keine Post zugestellt werde: Die Gegend sei zu gefährlich, um Briefträger dorthin zu schicken. Und plötzlich merkt man, wie man «zum Ende der Welt» wird – wie das eigene Projekt und die Kinder, die man ins Herz ge- schlossen hat, zum Ende der Welt werden. Niemand traut sich, dorthin zu gehen: es kostet zu viel, ist zu riskant, zu gefährlich, zu dreckig. Wie dankbar bin ich, dass sich diese Kirchgemeinde trotzdem investiert und ein Licht in diesem dunklen Teil der Welt ist! Vor unserer Haustüre In Europa erleben wir das Gleiche etwas anders. Plötzlich kommt das «Ende der Welt» in der Form von Flüchtlingen zu uns, klopft an unsere Haustüre und bringt unser schö- nes, ruhiges und geordnetes Leben durcheinander. Die Leute haben andere Wertvorstellungen als wir, einen an- deren Glauben, eine andere Hautfarbe – sie sind anders. Ich wünsche uns allen eine grosse Portion Mut, uns auf die Menschen aus aller Welt einzulassen und ihnen mit Gottes Liebe zu begegnen.

Damaris LIECHTI, ehemalige Mitarbeiterin im ProVIDA und jetzt im ProRIBEIRINHO in Brasilien im Einsatz

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