TITELTHEMA | FINANZEN
BÖRSENGANG Ohne Schlittern aufs Parkett Ein Börsengang bietet nicht nur Großunternehmen interessante Finanzierungs- optionen. Auch der Mittelstand ist dabei. Doch auf dem Börsenparkett gilt es, Fallstricke zu beachten.
durchaus sinnvoll sein“, erklärt Renner. Preiswert ist der Weg aufs
Parkett allerdings nicht: „Ein Börsengang ist ein sehr um- fänglicher und teurer Prozess. Die Beratungsleistungen der Emissionsbank – etwa hinsicht- lich Vermarktung und Preisfin- dung – und die Überprüfung des Unternehmens durch Wirt- schaftsprüfer und Juristen ver- ursachen hohe Kosten.“ Hinzu träten aufwendige Folgepflich- ten wie die Veröffentlichung von Finanzberichten und Ad-Hoc- Mitteilungen. Um im Prime Standard der Börse ein breiteres internationales Publikum anzu- sprechen, müssten diese Berich- te auch in englischer Sprache abgefasst werden. Deshalb sei ein Börsengang, so Renner, erst ab einem be- stimmten Volumen und unter Berücksichtigung der sonsti- gen Finanzierungsbasis des Unternehmens sinnvoll. Und nicht zuletzt spielten auch die aktuelle Marktsituation und die Konditionen möglicher Finanzierungsalternativen eine Rolle. Eine solche Alternative zum Börsengang könne etwa ein Private Placement sein, das nur bestimmte Investoren aus dem Segment Private Equity anspricht. Ebenso sei es mög- lich, außerbörslich gehandelte Eigenkapitalinstrumente zu emittieren oder Zwischenfor- men zu wählen, die Fremdka- pitalgebern aktionärsähnliche Rechte – wie etwa Gewinnbetei- ligungen – einräumen.
Handelssaal in der Deutschen Börse in Frankfurt: Hier geht es nicht selten um das ganz große Geld.
V or Corona boomte die das Parkett. Zwar nahm mit der Pandemie die Zahl der Börsengänge von Betrieben ab. Moritz Renner, Professor für Bürgerliches Recht, Inter- nationales und Europäisches Wirtschaftsrecht an der Uni- versität Mannheim, rechnet aber nicht damit, dass diese Zurückhaltung von Dauer ist: „Langfristig werden die Kapitalmarktorientierung und die Börsenfinanzierung des deutschen Mittelstands zuneh- men“, prognostiziert der Jurist. Der Gesetzgeber fördere diese Entwicklung nämlich durch Börse. Auch der deutsche Mittelstand stürmte
die Schaffung europäisch ein- heitlicher Standards mit dem Ziel, den Rückstand gegen- über der angloamerikanischen Finanzwelt aufzuholen. Damit einher gehe allerdings ein Be- deutungsverlust des Fremd- kapitals und der klassischen Hausbankmodelle. Doch weshalb sollte ein Unter- nehmen an die Börse gehen? „Ein Börsengang bietet die Möglichkeit, die Eigenkapi- talbasis zu verbreitern und weitere, insbesondere ausländi- sche Investoren anzusprechen, die in Deutschland gezielt nach Anlagemöglichkeiten suchen. Das kann für den Mittelstand
15,6 MILLIARDEN US-DOLLAR Marktwert der Deutschen Börse QUELLE: STATISTA.COM
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IHK Magazin Rhein-Neckar 01 | 2023
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