IHK-Magazin Ausgabe 01/2023

STANDORT

die Nutzflächen in der Gesundheitswirtschaft und Forschung in wenigen Jahren verdoppeln. Während Bauer darauf vertraute, dass sich aufgrund der Trends zu Homeoffice und zu Alternativen zum Pkw die Verkehrssituation entschärfen werde, prophezeite Würzner dem Stadtteil ein „ernsthaftes Problem“. Der be- stehende Straßenraum könne kaum mehr neue Kapazitäten aufnehmen. Eine Entlastung Rich- tung Westen, sprich eine zusätzlich Neckar- brücke, habe der Gemeinderat indes abgelehnt. „Nicht mal für eine ÖPNV- und Radbrücke fand sich eine Mehrheit“, kritisierte der Oberbürger- meister. Angesichts dieser Verkehrssituation bezeichnete er das Neuenheimer Feld auch als „Mausefalle“. Am deutlichsten indes zeigten sich die Unter- schiede beim Thema Flächen. Es gebe eine „harte Flächenkonkurrenz“, so Bauer. „Wo wir versiegeln, müssen wir an anderer Stelle entsie- geln, damit wir bei der Biodiversität nicht weiter in die Defensive geraten.“ Die Stadt müsse daher „strategische Präferenzen formulieren, die auf die Stärken des Standorts einzahlen“. Flächen sollten so vorrangig an Unternehmen aus wis- sensintensiven Bereichen wie Digitalisierung und Gesundheitswirtschaft vergeben wer- den. Und entscheidend: „Vorsichtig wäre ich bei den Flächen, die irgendwann vor Jahrzehnten mal ausgewiesen wurden“, sagte sie mit Anspielung auf eine rund 18.000 Quadrat- meter große Fläche am S-Bahnhof Pfaffengrund-Wieblingen, die im Flächennutzungsplan für gewerb- liche Zwecke eingeplant ist, auf der sich mittlerweile aber eine Streuobstwiese entwickelt hat. Solche Flächen wolle sie nicht in die Entwicklung geben. Konträr dazu Würzner: „Die paar vor- handenen Flächen, über die wir noch verfügen können, müssen wir auch nutzen.“ Er kündigte daher an, mit den Umweltverbänden ein „Commitment“ zu suchen. Alle im Flächen- nutzungsplan ausgewiesenen Flächen sollten auch entwickelt werden können. Eines seiner Argumente: Der Flächennutzungsplan sei „ja bereits ein Kompromiss“. Daran müssten sich die Verbände orientieren. Ob Prof. Dr. Eckard Würzner diese Verständi- gung mit den Umweltverbänden gelingt und wie er seine anderen Zielen umsetzt, kann er nun in den kommenden acht Jahren zeigen. Die demo- kratische Legitimation dafür hat er. Matthias Schmitt

Daher ist Unternehmensförderung Kernele- ment meiner Politik.“ Die größten Unterschiede zwischen den beiden Politikern zeigten sich bei den Themen Innen- stadt, Verkehr und Flächen. Bauer nannte eine „Wende in der Innenstadt notwendig“ und be- gründete dies damit, dass die vielen Leerstände nicht erst seit der Pandemie ein Problem seien, sondern vor allem auf den Strukturwandel im Einzelhandel zurückzuführen seien. Ein Zurück zum alten Zustand gebe es nicht. Konsequenz: „Wir brauchen zukünftig weniger Fläche“ auf- grund dieses „Transformationsprozesses“. Würzner hingegen verwies auf seine langjähri- ge Politik, keinen großflächigen Einzelhandel ermöglicht zu haben. „Dabei bleibt es. Die Ge- schäfte im Bestand brauchen eine Perspektive und Diversifizierung. Wir müssen diese kleinen Geschäfte halten.“ Dank der engen Betreuung durch die Wirtschaftsförderung wisse man früh- zeitig um sich abzeichnenden Leerstand und könne frühzeitig geeignete Nachmieter suchen. „Das ist bisher gut gelungen!“, so Würzner, der betonte, dass Heidelberg als Oberzentrum auch mit dem motorisierten Individualverkehr weiter erreichbar bleiben müsse. „Sonst weichen Kunden aus“, mahnt er.

91.500 SOZIALVERSICHE- RUNGSPFLICHTIG BESCHÄFTIGTE hat Heidelberg , davon 65 Prozent im Bereich wissens- intensive Dienstleis- tungen

IHK-Präsident Manfred Schnabel bei seiner Begrü- ßung.

Bauer legte hier den Schwerpunkt eher auf die Alternativen zum priva- ten PKW, auch wenn sie betonte, es gehe hier nicht um schwarz oder weiß, sondern um die richtige Dosierung. „Es kann aber nicht alles so bleiben, wie es ist. Wer in der Lage ist umzusteigen, braucht attraktive Angebote“, forderte sie. Diese unterschiedliche Gewich- tung zeigte sich auch beim Thema Neuenheimer Feld. Dort werden sich

Die paar vorhandenen Flächen, über die wir noch verfügen können, müssen wir auch nutzen.“

Wo wir versiegeln, müssen wir an anderer Stelle entsiegeln, damit wir bei der Bio- diversität nicht weiter in die Defensive geraten.“

Prof. Dr. Eckard Würzner

Theresia Bauer

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