Für das Jahr 2024 hat Dr. Leonhard Birnbaum, Vorstands- vorsitzender von E.ON, die Schirmherrschaft des Klavier- Festivals Ruhr inne.
Klavier-Festival Ruhr
Frau Zagrosek, Sie waren als Kulturmana- gerin schon in Berlin, Salzburg, Wien und Paris tätig. Jetzt ist das Ruhrgebiet Ihr neues Zuhause. Wie gefällt es Ihnen hier? Ich finde, das Ruhrgebiet ist eine spannende Region, historisch wie kulturell. Hier tut sich sehr viel, gerade auf kulturellem Gebiet, was für mich gleichermaßen Konkurrenz wie Inspiration bedeutet. Deswegen habe ich große Freude an der Aufgabe. Das Ruhrgebiet hat einen gänzlich anderen Metropol-Charakter als Orte wie New York oder Paris, aber auch hier wie überall stellt sich mir die Frage: Was erreicht die Menschen, die hier vor Ort leben? Was könnte das Musik- erlebnis sein, das sie auf ganz besondere Weise ‚abholt‘? Wie unterscheidet sich das Ruhrgebiet denn von anderen Kulturräumen? Großartig ist die Vielfalt an Spielstätten: Heute mag der Spielort die Essener Philharmonie sein, morgen ist es ein kleines Theater, dann wieder die ehemaligen Industrieräume, die wir auf den Zechen finden oder eine ehemalige Kirche, die zum Konzertsaal umfunktioniert wurde. Die Auswahl ist unendlich groß und ich halte es für einen Vorteil, nicht auf ein- und denselben Spielort festgelegt zu sein. Jeder Standort bringt seine besondere Atmosphäre mit sich, zieht andere Menschen an und bietet umgekehrt auch dem Publikum die Chance, immer wieder neue Entdeckungen zu machen. Auch die international gefeierten Pianistinnen und Pianisten, die wir hierher einladen, sind von diesen Spielstätten stark inspiriert. INTERVIEW MIT: KATRIN ZAGROSEK, NEUE INTENDANTIN DES KLAVIER-FESTIVALS RUHR
kulturelle Bildung. Unsere Education dient nicht in erster Linie, so wie viele andere Musikvermitt- lungsprogramme, dem Heranziehen eines neuen Konzertpublikums. Das ganze Jahr über beschäf- tigen sich etwa 1.000 Kinder und Jugendliche aktiv mit Musik, entdecken in unterschiedlichen Kunstformen ihre schöpferischen Fähigkeiten und entwickeln wichtige soziale und persönliche Kompetenzen. Gleichzeitig ist mir wichtig, dass deutlich wird, warum es das Education-Programm des Klavier-Festivals ist. Das möchte ich dadurch bewirken, dass es verstärkt persönliche Begeg- nungen gibt zwischen Festival-Künstlerinnen und -Künstlern und den Kindern, so zum Beispiel auch beim Auftakt zum Eröffnungskonzert 2024, wenn Marxloher Schülerinnen und Schüler gemeinsam mit Emmet Cohen auftreten. Sie sagten bei Ihrer Pressekonferenz im Januar, dass Konzerte für Sie Seelennahrung seien. Können Sie das ausführen? Ein Konzertbesuch ermöglicht uns, ganz zu uns zu finden. Wir können zur Ruhe kommen, inspiriert werden, auftanken. Der Konzertsaal ist ein ‚dritter Raum‘ – neben dem privaten und dem beruflichen Raum. Wir suchen ihn auf, um anderen Menschen zu begegnen und im Musik- erlebnis Kraft zu schöpfen. Gerade in Zeiten, in denen uns viele Entwicklungen ratlos, verärgert, verzagt lassen, kann das Konzerterlebnis Stärke und Zuversicht vermitteln, gerade deswegen, weil Musik eine unsagbare Kunst ist und nicht explizit zu uns spricht.
Wie sind Sie denn auf das Thema Klavier und Elektronik gekommen? Tatsächlich im direkten Austausch mit den Künst- lerinnen und Künstlern. Die vier „Acts“, die wir hier einladen, sind sehr unterschiedlich, ihr einziger gemeinsamer Nenner ist die Elektronik. Und umso facettenreicher und unterschiedlicher ist ihre Musik, trotz des gleichen Themas – das finde ich spannend und ich hoffe, dass das Kon- zertpublikum dies ähnlich wahrnehmen wird. Ich höre heraus, dass Sie neben den großen Namen, die auch 2024 wieder ins Ruhrge- biet kommen, ein besonderes Augenmerk auf Nachwuchstalente legen wollen. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass nicht immer die Gewinnerinnen und Gewinner der hochkarätigen Wettbewerbe diejenigen sind, die der Szene langfristig und erfolgreich erhalten bleiben. Oftmals sind es die Zweit- und Drittplat- zierten, die fünf Jahre später ihre Karriere gefes- tigt, eine stärkere musikalische Handschrift sowie eine interessante Persönlichkeit entwickelt haben. Aus diesem Grund möchte ich bei den Nach- wuchstalenten nicht nur den Fokus auf die frisch Gekürten, auf ‚die Besten der Besten‘ legen, wie es oftmals der Fall ist. Eher blicke ich einige Jahre nach dem großen Wettbewerbserfolg auf die Karrieren und lade in der Reihe „Youngsters“ eine handverlesene Auswahl an Künstlerinnen und Künstlern ein, von denen ich überzeugt bin, dass sie das Konzertleben künftig aktiv gestalten werden. Apropos Nachwuchs: Das Klavier-Festival Ruhr steht ja nicht nur für Hochkultur, son- dern setzt sich mit dem Education-Programm auch für musische Bildung ein. Inwiefern gibt es da Neuerungen in diesem Jahr? Es ist aller Ehre wert, was in diesem Bereich in den vergangenen 15 Jahren aufgebaut wurde. Unsere Bildungsarbeit findet tagtäglich in den Schulen und Kindertagesstätten statt, mit mehr als 50 Wochenstunden sind unsere Teams kontinuier- lich vor Ort an den Schulen und bereichern die
Das Programm des Klavier-Festivals startet im April. Welche Neuerungen gibt es dieses Jahr? Zunächst: Es gibt viel Kontinuität – viele der gefeierten Künstlerinnen und Künstler, die das Pu- blikum in den letzten Jahren hier schätzen gelernt hat, werden weiterhin in der Metropole Ruhr zu hören sein. Ganz neu, sowohl als Spielstätte als auch als Genre, ist die Konzertreihe „Klavier und Elektronik“ in Gelsenkirchen-Ückendorf mit vier Konzerten im Juni. Wir sind sehr gespannt auf die Erfahrungen und Begegnungen, die wir hier machen werden. Außerdem haben wir an den Feiertagen Himmelfahrt und Fronleichnam eine Art ‚Festival im Festival‘ gebaut, bei dem wir in tollen Räumen wie dem Salzlager auf Zollverein jüngere, neu in der Szene ankommende Künstlerinnen und Künstler präsentieren und ihnen dort vier Tage lang eine Bühne bieten. Nicht zuletzt ist die Reihe ‚Jazz Piano‘ neu und bringt viele neue Gesichter ins Ruhrgebiet.
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