Florence Dubath
1992
2024
Heute würden NGOs solche Risiken nicht mehr zu- lassen. Florence erinnert sich weiter: «Bei den An- griffen verliess einmal eine Person die Küche des Kran- kenhauses, kurz bevor eine Bombe die Küche traf. Ein anderes Mal ging jemand ins Haus hinein und kurz darauf fiel eine Bombe in seinen Garten. In der ganzen Zeit wurde niemand von uns ernsthaft verletzt. Gott hat uns immer beschützt.»
Florence Dubath wurde im Jahr 1950 geboren. Zu- sammen mit sechs jüngeren Geschwistern wuchs sie bei liebevollen, christlichen Eltern in Genf auf. Bereits in ihrer Kindheit hatte Florence die Gelegenheit, Mis-
Im Oktober 1993 musste schliesslich das gesamte Kranken- hauspersonal evakuiert werden. Doch der Einsatz von Floren-
ce war noch nicht vorbei. Im August 1994, nur einen Monat nach dem Ende des Völ- kermords an den Tutsi, wurde sie von SAM global an Medair ausgeliehen und setzte sich fünf Monate lang in Ruanda ein. Das war emotional eine sehr schwierige Zeit für sie: «An manchen Orten lagen noch Lei- chenteile, man sah Massengräber. Normale Menschen erzählten mir, wie sie gezwungen wurden, andere Menschen zu töten.» Aber es gab auch freudige Erlebnisse: «Ein Mann, der uns geholfen hatte, uns in un- serem Haus einzurichten, hatte seine gan- ze Familie verloren. Er erfuhr von einer Di-
sionarinnen wie Edmé Cottier, Gandhi Mari- nova und Annie Bréchet kennenzulernen. Dies führte dazu, dass sie von 1968 bis 1971 eine Ausbil- dung zur Krankenschwester absolvierte und sich zur An- ästhesieschwester speziali- sierte. Ihr Ziel war ein Lang- zeiteinsatz in Angola. Bevor es soweit war, leistete Floren- ce mehrere Kurzzeiteinsätze in Benin.
«Bei den Angriffen verliess einmal eine Person die Küche des Krankenhauses, kurz bevor eine Bombe die Küche traf. In der ganzen Zeit wurde niemand von uns ernsthaft verletzt. Gott hat uns immer beschützt.»
akonisse, dass zwei seiner Kinder als Flüchtlinge im Kongo lebten. Die Diakonisse konnte die Tochter abholen, aber für den Jungen musste sie ein zweites Mal ins Flüchtlingslager gehen. Da der Vater als Tutsi die Grenze nicht überqueren konnte, machte ich mich mit der Diakonisse auf den Weg, um den Jungen zu suchen. Wir fanden ihn und brachten ihn nach Ruanda zurück. Was für eine riesige Freude, die strah- lenden Gesichter des Vaters und des kleinen Jungen zu se- hen, als sie sich in die Arme schlossen. » Anschliessend arbeitete Florence 20 Jahre lang in Guinea, was ein Anlass für eine Fortsetzung des Interviews wäre. Im Jahr 2015 wurde sie pensioniert und lebt seither in der Schweiz im Ruhestand.
Mitten im Bürgerkrieg reiste Florence 1987 dann nach An- gola aus, ein heute unvorstellbarer Vorgang! Wie ist es mög- lich, dass Florence in ein Land gehen konnte, das sich mit- ten in einem militärischen Konflikt befand? «Wenn der Herr Jesus dich ruft, bist du immer bereit», war die Überzeugung von Marie-Claude Bréchet, einer damaligen Mitarbeiterin in Kalukembé. Begleitet vom Bibelvers: «Die Freude am Herrn wird deine Stärke sein» machte sich Florence auf den Weg, um Anästhesiepflegerinnen auszubilden. Auf die Frage, ob sie jemals Angst gehabt hatte, sagt Florence heute: «Während einer Operation, bei der ich für die Anäs- thesie zuständig war, gab es plötzlich einen Luftangriff. Das gesamte einheimische Personal brachte sich in Sicherheit und ich blieb mit dem Patienten allein zurück – ich konnte ihn doch nicht im Stich lassen.»
Das Interview führte Christophe Reifsteck, Leiter frankophones Europa
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