Politische Dimension Internationaler Jugendarbeit

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Politische Dimension der Internationalen Jugendarbeit

dass die Mehrheit junger Menschen ein lebensweltlich orientiertes Politikver- ständnis besitzt. 6 Anstatt sich mit insti- tutionalisierter Politik und politischen Repräsentant(inn)en zu beschäftigen, zeigt sich ein verstärktes Interesse an Un- gerechtigkeiten im eigenen Umfeld und in der Gesellschaft sowie ein Gestaltungs- wille innerhalb der eigenen Lebensräume. Jugendliche suchen nach Sprachrohren, Kommunikationskanälen und Austausch- foren für Probleme, Sehnsüchte und In- teressen in ihrer eigenen Sprache und in Bezug zu ihren eigenen Themen. Sie sind bereit, sich für andere einzusetzen und sich für eine konkrete soziale Sache zu en- gagieren. Mit einer Internationalen Jugendarbeit, die den lebensweltlichen Bezug als Kern ihrer Bildungsarbeit versteht, sind wir da- mit viel näher am politischen Lernen dran als vielleicht landläufig zu vermuten wäre. Wir sollten die politischen Interessen jun- ger Menschen ernst nehmen und im Rah- men unserer Aktivitäten bestärken.

Negt ein Modell mit sechs Kompetenzen aufgestellt: „Identitätskompetenz, tech- nologische Kompetenz, Gerechtigkeits- kompetenz, ökologische, historische und ökonomische Kompetenz“ 7 . „Zu- sammenhänge erstellen können“ lau- tet die übergeordnete Prämisse, die der Fragmentierung des Wissens vorbeugen und gesellschaftskritisches Reflektieren fördern soll. 8 Den Autor(inn)en dieser Broschüre ist dementsprechend für die Internationale Jugendarbeit ein Selbst- verständnis wichtig, das die Persönlich- keits- und Bewusstseinsbildung mit dem Anspruch verbindet, Wirkungen in fünf Feldern zu erreichen: 1. Wissen erwerben 2. Fertigkeiten/Können i. Sinne von persönlichen Handlungsdispositio- nen entwickeln 3. Werte erschließen 4. Einstellungen entwickeln 5. Verhalten entwickeln und hinter­ fragen. Für die Internationale Jugendarbeit bietet sich der Verweis auf die europäische Defi- nition der Kompetenzen für Lebenslanges Lernen an. Wir befinden uns damit im Be- reich der Social and Civic Competences, als einem von acht maßgeblichen Feldern

lebenslangen Kompetenzerwerbs. 9 Rück- gebunden an die – in den Leitlinien der internationalen Jugendarbeit des Bundes und der Länder (siehe oben) beschrie- benen – internationalen Kompetenzen wie Toleranz, Mitgestaltung und Mitwir- kung / Partizipation an globalen Verände- rungsprozessen sowie gesellschaftliche Verantwortung und soziales Engagement (wie im SGB VIII gefordert) ergibt sich eine dezidiert politische Dimension internatio- naler Begegnungsarbeit. Dies ist freilich zu trennen von einer Betrachtungsweise, die Internationale Jugendarbeit allein als Mittel politischer Bildungsarbeit versteht, sondern vielmehr eine eigenständige Methodik aufweist, um politische Erfah- rungsräume zu gestalten. In diesem Sinne wollen wir ermutigen, die Bildungsziele von Internationaler Jugend- arbeit durchaus als politische Anliegen im Sinne einer politischen Sozialisierung und Persönlichkeitsbildung durch internatio- nalen Austausch zu verstehen, ohne die Austauschformate per se auf das Anliegen politischen Lernens zu reduzieren. 9 „ ... Social competence refers to personal, inter- personal and intercultural competence and all forms of behaviour that equip individuals to participate in an effective and constructive way in social and wor- king life. It is linked to personal and social well-being. An understanding of codes of conduct and customs in the different environments in which individuals operate is essential. Civic competence, and particu- larly knowledge of social and political concepts and structures (democracy, justice, equality, citizenship and civil rights), equips individuals to engage in active and democratic participation; ...“ (Quelle: http://eu- ropa.eu/legislation_summaries/education_training_ youth/lifelong_learning/c11090_en.htm )

Kompetenzerwerb und Empowerment

Für die Jugendarbeit sind zahlreiche Kom- petenzmodelle bildungstheoretisch be- gründet worden. Beispielsweise hat Oskar

6 vgl. Marc Calmbach/Silke Borgstedt 2012: „Un- sichtbares“ Politikprogramm? Themenwelten und politisches Interesse von „bildungsfernen“ Jugendli- chen. In: Wiebke Kohl/Anne Seibring (Hg.): „Unsicht- bares“ Politikprogramm? Schriftenreihe Band 1138, Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn

7 Weißeno, Georg: Kompetenzmodell. In: Weiße- no, Georg et al. (Hg.): Wörterbuch Politische Bildung. Schwalbach/Ts. 2007, S. 176. 8 Vgl. ebd.

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