Politische Dimension Internationaler Jugendarbeit

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Politische Dimensionen erlebbar machen

Rassismus und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit in internationalen Begegnungen zur Völkerverständigung

D ie Auseinandersetzung mit Rechtsextremismus oder Rassismus als Seminarthema und/oder Baustein in einem Seminar der Internationalen Jugendarbeit bietet eine Möglichkeit, bewusst rassistische Stereotype und andere Formen gruppenbezogener Menschenfeind- lichkeit zu thematisieren. Eine andere Möglichkeit bzw. Notwendigkeit ist das unmittelbare Aufgreifen von entsprechenden Ausdrucksformen, die im Rahmen ei- ner internationalen Jugendbegegnung entweder durch Teilnehmende getätigt oder von ‚außen‘ an die Gruppe herangetragen werden. Bei Trägern bzw. den Seminar- leitenden sorgt dies immer wieder für Verunsicherung, da so etwas in einer multikulturell zusammengesetzten Gruppe, die sich für Völkerverständigung und Zusam- menwachsen in Europa, gemeinsame Werte und solida- risches Handeln einsetzt, nicht erwartet wird. Dass eine solche Herausforderung durchaus in Forma- ten der Internationalen Jugendarbeit spontan auftreten kann, macht eine Erfahrung während eines Zwischense- minars im Rahmen eines einjährigen Freiwilligendienstes deutlich, an dem ca. 30 Jugendliche aus Deutschland, Russland, Ungarn, Rumänien, Frankreich, der Ukraine und afrikanischen Ländern teilnahmen. In Vorbereitung auf einen Aufmarsch von Neonazis und Rechtsgesinnten in Dresden hatten die Teilnehmenden die Aufgabe, im Rahmen der Open-Space-Methode Ideen zu entwickeln, wie sie – auch als Vertreter/-innen des Trägers – ein Zei- chen gegen Fremdenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft während der Demonstration setzen wollen. Nachdem

Bildungsreferentin in der Begegnungs- stätte Schloss Gollwitz, Brandenburg, Schwerpunkt: Antidiskriminierungs­ arbeit und Politische Bildung; Kontakt: kschuessler@hotmail.de

der Entschluss gefasst und umgesetzt war, dies mit ei- nem selbst gemalten Demo-Banner zu tun, mussten die Seminarleitenden am Ende der Arbeitsphase feststellen, dass unter den Entwurfsskizzen für das Banner auch – wenn zunächst auch bewusst abgedeckt – ein verkehrt herum gemaltes Hakenkreuz mit einem ‚I Like – Daumen‘ zu finden war. Für das Team ergaben sich aus der Situation grundlegen- de Fragestellungen: Wie gehen wir als Seminarleitung mit diesem Zeichen um? Ignorieren wir es? Handelt es sich um ein belangloses Rumgekritzel ohne tieferen Hin- tergrund? Oder ist es als Ausdrucksform rechter Gesin- nung zu interpretieren? Suchen wir offensiv das Gespräch und wenn ja, vor der gesamten Gruppe? Wie gehen wir ein solches Gespräch an, ohne gleich zu sehr den pädago- gischen Zeigefinger herauszuholen oder gar einen Schul- digen ausfindig machen zu wollen? Und was wird jetzt in und mit der Gruppe passieren?

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