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Politische Dimensionen erlebbar machen
möglich argumentativ auf eine einzelne Person ‚einzuschießen‘. Vielmehr galt es, die Aussage in einen größeren Rahmen zu setzen, ähnliche Meinungen inner- halb der Gruppe herauszuarbeiten und die Widersprüchlichkeit der getroffenen Aussagen sowie die letztendlichen Fol- gen und Grundlagen derartiger Denk- muster sichtbar zu machen. Die Rolle der Tagungsleitung wird in diesem Zusam- menhang mehr als die des Moderators und Lenkers der Diskussion und weniger als die eines aktiv mitagierenden Diskus- sionsteilnehmers verstanden. Ein aktives argumentatives Eingreifen ist hingegen immer dann erforderlich, wenn die Teil- nehmenden Halb- und Pseudowahrhei- ten austauschen. Dann ist es Aufgabe des Leitungsteams, faktische Klarheit und Einordnung zu schaffen, was wiederum ein thematisches Wissen voraussetzt. Neben der inhaltlichen Vorbereitung und der spezifischen Berücksichtigung der Zusammensetzung der Gruppe (Nation,
Region, Alter, Geschlecht, beruflicher bzw. schulischer Hintergrund) ist im Vor- feld einer Jugendbegegnung daher eine Beschäftigung mit aktuellen politischen und boulevard-politischen Themen bzw. Stammtischparolen notwendig. c. Wo liegen die Grenzen der Anlasspä- dagogik? Der zeitliche Rahmen und in- haltlich-politische Schwerpunkt der Ver- anstaltungen, die bi- und trinationalen Zusammensetzungen der Gruppen sowie das entsprechende Ausbildungsprofil der Seminarleitungen verschaffen der Euro- päischen Akademie Otzenhausen privile- gierte Rahmenbedingungen hinsichtlich der Sichtbarmachung der politischen
Dimension im Rahmen von Jugendbe- gegnungen. Dennoch wird die Akade- mie immer wieder auch mit den Gren- zen der Anlasspädagogik konfrontiert. Aufgeworfene Extrempositionen ha- ben oft multithematische Diskussionen zur Folge. Allein aus zeitlichen Gründen müssen dann stets Entscheidungen ge- troffen werden, welche Aussagen einge- hender behandelt, gebündelt aufgegrif- fen oder aber ignoriert werden können/ müssen. Kommt – nach Abwägung der o. g. Parameter – die unmittelbare Aus- einandersetzung mit einem Statement eines Teilnehmenden nicht in Frage, so bedarf es des persönlichen Gesprächs im Anschluss an das eigentliche Programm oder während der informellen Phasen der Veranstaltung. Dass sich die Teilneh- menden in ihren individuellen Stand- punkten von der Seminarleitung ernst genommen fühlen, ist für die Sichtbar- machung der politischen Dimension und deren nachhaltiger Wirkung von heraus- gehobener Bedeutung und schließlich für das Gelingen einer europapolitischen Jugendbegegnung an sich.
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