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Politische Dimensionen erlebbar machen
dass er sich selbst nie als ‚deutsch‘ defi- nieren würde in einem Land, das ihm auf gesellschaftlicher wie politischer Ebene immer wieder das Gefühl vermittelt, nicht dazuzugehören. Die Identitätskon- zepte der Jugendlichen waren geprägt vom gesellschaftlichen und politischen Kontext, in dem sich die Jugendlichen be- wegten und den Diskriminierungserfah- rungen, die sie erlebten. Wie diese Dis- kriminierungserfahrungen aussahen und wie diese persönlich, gesellschaftlich und politisch einzuordnen waren, war Inhalt des zweiten Workshops. Ausge- hend von konkreten Beispielen erarbei- teten die Jugendlichen eine gemeinsame Definition von Diskriminierung. Dabei ging es auch um die Fragen, in welchem Kontext diskriminiert wurde und worin die strukturellen Unterschiede in den
jeweiligen Diskriminierungserfahrungen lagen. Eine Roma-Jugendliche aus Rumä- nien berichtete in diesem Zusammen- hang von politischer Diskriminierung in der Versorgung mit Infrastruktur in Romasiedlungen oder ein Transgender- Jugendlicher aus den Niederlanden über die Diskriminierungserfahrungen in der Anerkennung des eigenen Status – und das sowohl im sozialen als auch politi- schen Umfeld. Für die Mehrheitsange- hörigen unter den Jugendlichen wurden durch diese Geschichten die Diskriminie- rungserfahrungen aus der Perspektive der Opfer konkret. Außerdem wurde den Teilnehmenden auf einer analytischen Ebene bewusst, dass es unterschiedliche Formen und Stufen von Diskriminierung gibt, auf die auch unterschiedlich re- agiert werden muss.
Historische Biografiearbeit, Multiperspektivität und Erinnerungskultur(en)
Dass Diskriminierung eine lange Ge- schichte hat, wurde im Workshop ‚His- torische Biografien‘ deutlich. Aktuelle Erscheinungsformen des Antisemitismus, Rassismus oder der Homophobie haben in Europa eine Vorgeschichte. Diese wur- de anhand konkreter Lebensgeschichten für die Jugendlichen begreifbar gemacht. Die Auswahl der Biografien erfolgte nach einem multiperspektivischen Ansatz, der zeitlich und inhaltlich über die Auseinan- dersetzung mit den Themen Nationalso- zialismus und Holocaust hinausging. So waren unter den vorgestellten Lebens- geschichten auch jene von Opfern des Kolonialismus oder Stalinismus. Darüber hinaus wurden nicht nur Opfergeschich- ten, sondern auch Geschichten von Hel- ferinnen und Helfern erzählt. Ein zentra- ler Aspekt dieses Workshops war, dass die Jugendlichen aus einer Auswahl von Biografien selbst entscheiden konnten, mit welcher sie sich näher beschäftigen möchten. Dies führte zu einer erinne- rungspolitischen Debatte im Kleinen. Die
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