IJAB journal 01/2023

IJAB journal 1|2023

Die Erinnerung an den Krieg ist auch nach 30 Jahren noch da Wie stark ist die Erinnerung an die Kriege, die auf das Auseinanderfallen Jugoslawiens folgten, nach 30 Jah- ren noch und welche Rolle spielt das für eure Arbeit? In den westlichen Balkanländern gibt es keinen einheit - lichen Ansatz für das Gedenken. Die Erinnerung an den Krieg ist wahrscheinlich in Bosnien-Herzegowina am stärksten, weil die Menschen dort am härtesten betroffen waren und sie immer noch in einer geteilten Gesellschaft leben. Es ist praktisch unmöglich, miteinander zu reden, ohne auch über den Krieg und seine Folgen zu sprechen. Das ist wirklich ein sensibler Bereich. Das spüren wir zum Beispiel bei der Vorbereitung von Veranstaltungen in Bosnien-Herzegowina. Wen sollen wir einladen und wer könnte sich ausgeschlossen fühlen? Wie können wir die Menschen zusammenbringen und wann laufen wir Ge- fahr, sie zu spalten? Auch im Kosovo ist die Erinnerung sehr präsent. In Serbien ist dies weniger der Fall. Hier gibt es leider immer noch Menschen, die das Massaker von Srebrenica nicht als Völkermord ansehen und die Kriegs - verbrecher nicht als Kriegsverbrecher bezeichnen wollen. Wir sagen immer: Erinnern wir uns, aber tun wir es auf eine konstruktive Art und Weise. Deshalb schauen wir uns auch an, wie andere Länder mit der Vergangenheit umgehen – Deutschland und Frankreich zum Beispiel. Auch dort ist Versöhnung möglich gewesen, und das ist für uns eine beständige Inspiration.

gegnen und uns als gleichberechtigte Bürger*innen in der Gegenwart anerkennen können. Für junge Menschen ist es einfacher, eine Vision für die Zukunft zu entwickeln, da die jungen Generationen schon immer besser darin waren, Visionen zu entwickeln als die älteren Generatio - nen. Wir sollten dieses Potential nutzen, aber den jungen Menschen auch Entscheidungsbefugnisse einräumen, sie lehren, viele Dinge zu hinterfragen und mehr Verantwor - tung zu übernehmen. Wenn sie das Gefühl haben, dass sie nicht machtlos sind, fangen sie an zu denken und et - was zu verändern, und sie fangen auch an, diejenigen, die Machtpositionen innehaben, zur Verantwortung zu ziehen. Aus diesem Grund arbeiten wir an einer Agenda für „Jugend, Frieden und Sicherheit“ auf dem Balkan.

Kontakt Marija Bulat Leiterin des örtlichen RYCO-Büros in Belgrad

Web: rycowb.org

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