IJAB journal 01/2023

Jugendarbeit transnational denken und gestalten

Kathrin Klein-Zimmer

In Zeiten globaler Krisen profitiert Jugendarbeit mehr denn je von einer grenzüberschreitenden Per - spektive auf das Arbeitsfeld – auf die transnationalen Lebenswirklichkeiten der jungen Menschen, den transnationalen Wissensaustausch und die internationale Zusammenarbeit zwischen Fach- kräften, Wissenschaftler*innen und politischen Entscheidungsträger*innen. Die Entwicklung einer gemeinsamen Idee von Jugendarbeit über nationale Grenzen hinaus erhöht ihren Stellenwert und stärkt ihre Anerkennung als wichtigen Sozialisationsort für junge Menschen auf der ganzen Welt.

“Made me feel I had someone I can trust and who will listen” RAY COR 2020 In Zeiten, in denen Klimakrise, Krieg, Energieknapp - heit, Corona-Pandemie, Armut und steigende sozia - le Ungleichheiten junge Menschen beschäftigen und Einfluss auf die Gestaltung ihrer Lebenswirklichkeiten nehmen, fungiert Jugendarbeit, mehr denn je, als zent- raler Ort des Aufwachsens, an dem Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene soziale Unterstützung erfahren. Jugendarbeit ist ein Lebensort (Böhnisch 1998), der für viele junge Menschen, neben Familie und Schule, eine eigenständige Sozialisationsfunktion erhält. Gerade in Zeiten zunehmender Globalisierung, sozialer Spaltung und verstärktem Nationalismus, Rassismus und Indivi - dualismus 1 gewinnt Jugendarbeit als Ort der Demokra - tiebildung und politischer Bildung europa- und weltweit zusehends an Bedeutung 2 . In Deutschland, in Europa und weltweit agiert Jugend - arbeit als Gesprächspartner für junge Menschen, bietet Orte der Begegnung, des Peerkontakts, der Beratung, der non-formalen Bildung, wird von jungen Menschen als „safer space“ in Anspruch genommen, an dem sie in ihrer Individualität akzeptiert werden und sich in ihrer Persönlichkeit weiterentwickeln können. In ihrer Partei - lichkeit für junge Menschen obliegt es der Jugendarbeit genau dort aufzutreten, wo junge Menschen und ihre

Anliegen in Politik und Gesellschaft nicht gehört werden. Diesem Anforderungsprofil wurde Jugendarbeit in den Anfängen der Corona-Pandemie nicht überall gerecht. Die Handlungsmacht der Jugendarbeit wurde einge - schränkt, eine anwaltschaftliche Interessenvertretung war kaum sichtbar – „nicht-krisensicher“ war ein sich grenzüberschreitend entwickelndes Narrativ. Ein Grund mehr, auf allen Ebenen – lokal, regional, natio - nal, europäisch und international – für die Anerkennung des Wertes der Jugendarbeit für Gemeinschaften, Gesell- schaften und Einzelpersonen einzutreten und durch einen transnationalen Wissensaustausch das Arbeitsfeld in seinen unterschiedlichen Formaten und Ausprägun- gen zu stärken. Verzahnung lokal, national, euro­ päisch, international, transnational Die globalen Zusammenhänge bringen es mit sich, Jugendarbeit insgesamt stärker in ihren nationale Gren - zen überschreitenden Bezügen zu analysieren und die- se als Ressource für die Etablierung und Stärkung des Arbeitsfeldes einzusetzen. Dies gilt nicht nur für die Felder, die sich per se mit grenz - überschreitenden Zusammenhängen junger Menschen auseinandersetzen, wie z.B. Internationale Jugendarbeit. Sondern auch die lokal organisierte Jugendarbeit ist mit den Herausforderungen von Grenzüberschreitungen – infolge der Überschreitung von nationalen Grenzen – konfrontiert.

1 Alldred, P./Cullen, F./Edwards, K./Fusco, D. (2018). The SAGE Handbook of Youth Work Practice. London, SAGE Publications 2 https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/service/publikationen/16-kinder-und-jugendbericht-162238

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