IJAB journal 01/2023

IM FOKUS – Jugend, Frieden und Sicherheit

Was wir jetzt tun können

Daniel Poli

Die Internationale Jugendarbeit nach dem russischen Überfall auf die Ukraine War das Engagement für friedliche Konfliktlösung, das zum Selbstverständnis Internationaler Jugendarbeit gehört, vergeblich? IJAB-Direktor Daniel Poli sieht überhöhte Erwartungen an das Arbeitsfeld: „Internationale Jugendarbeit verhindert keine Kriege und beendet sie auch nicht. Statt- dessen eröffnet sie Lern- und Diskursräume, um Frieden und Sicherheit aus jugendlicher Perspek - tive zu betrachten und durch den Austausch mit anderen neu zu bewerten“. In der Resolution 2250 des UN-Sicherheitsrats – „Jugend, Frieden und Sicherheit“ – sieht er einen wichtigen Impuls.

Am 24. Februar 2022 überfiel Russland die Ukraine. Die russischen Raketen und Bomben zielten auf ukrainisches Militär und auf Zivilisten gleichermaßen. Sie trafen aber auch das Selbstverständnis der Internationalen Jugend - arbeit, zu dem Verständigung und Ausgleich, friedliche Konfliktlösung und die Achtung der Menschenrechte gehören. Dass Internationale Jugendarbeit eine frie - densstiftende Wirkung habe, konnte so lange geglaubt werden, wie Frieden war. Jetzt ist Krieg und wir müssen umdenken. So tritt auch für uns eine Zeitenwende ein, die zu mehr Bescheidenheit auffordert: Internationale Jugendarbeit verhindert keine Kriege und beendet sie auch nicht. Sie hat es auch nie getan. Stattdessen eröff - nen Maßnahmen und Projekte Internationaler Jugend - arbeit Lern- und Diskursräume für junge Menschen, um Themen wie Frieden und Sicherheit aus jugendlicher Perspektive zu betrachten und durch den Austausch mit anderen neu zu bewerten. Damit kann ein positiver Bei - trag zu einem Friedensdiskurs geleistet werden, in dem wir junge Menschen dabei unterstützen, sich zu engagie- ren und Gehör in der Weltgemeinschaft zu verschaffen. Nicht mehr und nicht weniger.

Seit 2014 führt Russland Krieg in der Ukraine. Seit 1992 hält es Teile der Republik Moldau besetzt. Russische Truppen führten Kriege in Georgien, Ossetien, Tschet - schenien und Dagestan. Die Krim wurde annektiert. Aus - gerechnet in den Dekaden, in denen die Debatten über das koloniale Erbe Europas und dessen Folgen in der Gegenwart an Fahrt aufnahmen, hat die deutsche Mehr- heitsgesellschaft die Bemühungen um Entkolonialisie - rung und Russlands neo-imperiale Praxis nicht gesehen oder wollte sie nicht sehen. Wir hätten unseren östlichen Nachbarn – den Pol*innen und Balt*innen beispielswei - se – zuhören können, dann hätten wir besser verstan - den, wohin die Reise geht.

Dabei halten wir doch gerade das Zuhören für eine unserer Kernkompetenzen.

Stattdessen haben wir den Jugendaustausch mit Russ - land kontinuierlich ausgebaut, ohne dies auch gleich - zeitig und gleichwertig mit der Ukraine, der Republik Moldau oder Georgien zu tun. Wir haben gefordert, Internationale Jugendarbeit müsse wieder politischer

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